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Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)

Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)

Titel: Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)
Autoren: Marie Ferrarella , Sharon Mignerey , Kathleen Creighton
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der Schwelle stand. Irgendein Teil ihres Gehirns registrierte, dass er schwerer geworden war, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, dass sein Haar weiß war, dass seine Wangen schlaff herunterhingen und sich unter seinen Augen Tränensäcke befanden, dass er gebeugter ging als früher. Dass er alt geworden war. Doch seine Augen waren noch immer dieselben, diese Augen, die den ihren so sehr glichen, obwohl sie es immer gehasst hatte, dies zuzugeben.
    Sie hatte sich absichtlich keine Gedanken darüber gemacht, was sie ihm sagen wollte, weil sie genau wusste, dass sie bei seinen ersten Worten auf der Stelle alles vergessen würde. Aber jetzt wurde ihr klar, dass es auch nichts geändert hätte, wenn sie mit einer schriftlich ausgearbeiteten Rede hierhergekommen wäre oder sich das, was sie sagen wollte, auf die Innenseite ihrer Hand tätowiert hätte. Plötzlich spielte alles keine Rolle mehr. Alles bis auf …
    Die Worte kamen leise aus ihrem Mund, aber es war mehr als ein Flüstern. Eher ein Grollen. “Wer ist das?”
    Sie bemerkte erst jetzt, dass sie sich das Foto, das den Jungen mit seinem Abschlusszeugnis zeigte, vor die Brust hielt wie einen Schutzschild.
    Richter Charles Phelps straffte die Schultern, blähte die Nasenflügel in einer Art, wie er es immer getan hatte, wenn er die Absicht hatte, etwas zu verkünden – wenn er wieder einmal eins seiner Geschütze auffuhr, einen Erlass herausgab, ein Ultimatum stellte, einen Schuldspruch fällte. Obwohl er an diesem warmen Juniabend kein Jackett und keine Krawatte trug, sondern nur ein kurzärmliges Hemd und Hosenträger, konnte sie ihn fast in seiner Richterrobe vor sich sehen.
    Diesmal jedoch verfehlte seine Einschüchterungstaktik ihre beabsichtigte Wirkung. Sie wiederholte: “
Wer ist das”
?
    Er zog finster die Augenbrauen zusammen und hüllte sich in Schweigen. Deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als es noch einmal zu versuchen, wobei ihre Stimme nicht mehr als ein Krächzen war, das zwischen ihren zusammengepressten Zähnen herauskam. “Ist … das … mein … Sohn? Sag es mir. Ich habe ein Recht …”
    “Du hast kein Recht!”, donnerte er. Es klang in diesem sonnenüberfluteten Zimmer so schockierend wie ein Donnerschlag aus heiterem Himmel. Seine nächsten Worte kamen wie das rumpelnde Echo, langsam und gemessen, die Verlesung eines Schuldspruchs. “Überhaupt keins. Jedes Recht, das du hattest, hast du mit deiner Unterschrift vor zwanzig Jahren abgegeben.”
    Charly zuckte wie von einem Peitschenhieb getroffen zusammen, dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und fragte: “Ist das mein S…”
    “
Du hast kein Recht, und du hast keinen Sohn
!” Seine Stimme knüppelte die ihre nieder. “Du hast das eine mit dem anderen aufgegeben.”
    “Aufgegeben?
Aufgegeben?”
Wie lange mochte sie geweint haben? Ihr Gesicht war tränenüberströmt, und ihre Kehle fühlte sich rau an, als ob sie geschrien hätte. “Du hast mich dazu
gezwungen
! Du hast ihn mir weggenommen.” Sie fuhr sich mit den Händen über die Augen, und dann sah sie verschwommen, dass Dobrina, beide Hände auf den Mund gepresst, hinter dem Richter stand und ebenfalls weinte.
    “Ich wollte ihn behalten”, flüsterte Charly, wobei sie alles daransetzte, ihr Schluchzen zu unterdrücken, und den Mann nicht aus den Augen ließ, den sie als Kind ebenso idealisiert wie gefürchtet hatte. “Das weißt du genau. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich ihn niemals hergegeben.”
    Er lachte zornig auf. “Ihn behalten? Und wie hättest du das bitteschön anstellen sollen? Du warst ein egoistisches, verantwortungsloses …”
    “Ich war sechzehn!”
    “Du warst nicht imstande, ein Kind großzuziehen, und wie es scheint, hast du dich nicht verändert. Und wenn du jetzt auch nur einen Funken Schamgefühl …” Seine Stimme versagte plötzlich, und er wandte sich schnell ab.
    Verzweifelte streckte Charly die Hand aus und umklammerte seinen Arm. “Ich will ihn sehen.”
    Der Richter senkte den Blick, dann schaute er sie wieder an. Plötzlich war ihr kalt bis ins Mark. Sie zog die Hand weg.
    “Junge Frau”, sagte er mit der ruhigen, unpersönlichen Stimme eines Vorsitzenden Richters, einer Stimme aus Stahl, “ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt mein Haus verließen.”
    Das war zu viel für Dobrina. Sie ließ mit einem Schrei des Entsetzens die Hände fallen, drehte sich auf dem Absatz um und floh. Charly, die ihren Ohren nicht trauen wollte, schüttelte fassungslos den
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