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Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)

Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)

Titel: Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)
Autoren: Marie Ferrarella , Sharon Mignerey , Kathleen Creighton
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Taschentuch hervor. Sie wischte sich hastig die Wangen ab, putzte sich die Nase und winkte Charly dann zu.
    “Bleib hier, Kind, hörst du mich? Bleib hier und rühr dich nicht vom Fleck. Beweg keinen Muskel, hast du verstanden? Ich hole den Richter.” Und schon war sie weg. Selbst als sie am Ende des langen Ganges war, konnte Charly immer noch ihr “Gelobt sei Gott!” und “Ich danke dir, lieber Herr Jesus” hören.
    Jetzt klappte irgendwo eine Tür zu, und dann wurde es still, und plötzlich sah Charly sich von Gefühlen überwältigt, die sie zum größten Teil nicht verstand. Wie konnte ihr das alles so vertraut und fremd zugleich erscheinen? Alles war genau so, wie sie es erinnerte, einschließlich der Gerüche – eine Mischung aus nach Zitrone duftender Möbelpolitur, altem Holz, eingestaubten Portieren und Pfeifentabak. Sie fühlte sich wie in einer Zeitmaschine in ihre Kindheit zurückkatapultiert. Bis auf den kleinen Unterschied, dass sie kein Kind mehr war, dass sie nicht mehr in diese Zeit, an diesen Ort gehörte. Sie war fremd hier. Und in diesem Haus zu sein, in dem sie aufgewachsen war, jagte ihr ein schreckliches Gefühl von Fremdheit und Verlust ein.
    Panik ergriff sie. Guter Gott, so konnte sie ihm nicht unter die Augen kommen. Nicht in diesem verletzlichen Zustand, wie ein Sozialfall in der Eingangshalle herumstehend … wie irgendjemand, der um eine milde Gabe bat!
    Sie war kurz davor, Hals über Kopf die Flucht anzutreten, als sie an ihrer linken Wange etwas Warmes spürte, das einer tröstlichen Berührung glich. Sie drehte sich um und sah zu ihrer Linken das Wohnzimmer, das der Richter immer “Salon” genannt hatte, in dem eben die letzten Sonnenstrahlen des Tages ihr goldenes Licht ausschütteten. Es war dieses Licht, von dem sich Charly angezogen fühlte. War es womöglich ein gutes Omen? Wenn sie an solche Dinge geglaubt hätte!
    Aber vielleicht würde es dort drin ja besser sein, dachte sie, während sich ihr rasender Herzschlag verlangsamte. Sie konnte ihm mit dem Rücken zum Fenster gegenübertreten, sodass ihr Gesicht im Schatten lag, das seine hingegen im Licht. Grundzüge der Interviewstrategie. Auf diese Weise glich sie zumindest den Heimvorteil, den er hatte, aus.
    Sie betrat das Zimmer, und fast schlagartig verflog ihre Unsicherheit. Es war eine zu gediegene und vornehme Umgebung für böse Worte und Vorwürfe. Hier gab es keine bedrückenden Erinnerungen an Gefühlsausbrüche und erbitterte Konfrontationen. Und auch hier schien sich nichts verändert zu haben.
    Aber dann fiel ihr Blick auf die gerahmten Fotos auf dem Kaminsims. Zumindest dort war etwas anders. Sie erinnerte sich an den silbernen Kerzenleuchter und die Uhr, die jede Viertelstunde schlug. Und die frischen Blumen in der Kristallvase, die Tante Dobie immer im Garten pflückte. Doch in Charlys Erinnerung hatte bisher immer nur eine Fotografie dort gestanden, das in Silber gerahmte Porträt ihrer Mutter Elizabeth, die eine Woche nach der Geburt gestorben war.
    Aber jetzt standen noch mehr Fotos dort. Neugierig trat sie näher, um einen Blick darauf zu werfen. Sie schienen alle denselben Jungen in verschiedenen Altersstufen zu zeigen: Ein lachendes Kleinkind mit goldenen Locken, sein Lieblingsspielzeug an sich drückend; einen kleinen Pfadfinder mit Zahnlücke, der einen Baseballhandschuh hochhielt, der fast so groß wie er selbst war, einen hübschen Highschool-Jungen, der stolz sein gerahmtes Abschlusszeugnis präsentierte.
    Wie seltsam, dachte Charly. Sie starrte auf die Fotos.
Wer ist das? Ich kenne diesen Jungen nicht
.
    Um sie war es plötzlich merkwürdig still geworden, es war wie die Ruhe vor einem gewaltigen Sturm. Der Boden unter ihren Füßen schien zu schwanken, und sie streckte eine Hand nach dem Kaminsims aus, um sich festzuhalten, aber sie spürte die Marmorplatte unter ihren Fingern nicht.
    Doch. Ich kenne dieses Kind. Ich weiß …
    Ihr war mit einem Mal kalt … so kalt. Ihr war nicht klar, dass dies ein Schocksymptom war, sie war nur angenehm überrascht, dass sie so ruhig bleiben konnte, erfreut, dass sie nicht auseinanderfiel, dass ihre Hände nicht zitterten, dass sie keinen Schmerz fühlte. Tatsächlich fühlte sie gar nichts. Nur diese seltsam betäubende Kälte, die sie umfing.
    Sie musste etwas gehört haben, irgendein Geräusch, ein schwaches Keuchen, einen lauten Atemzug. Sie spürte, wie sie sich in diesem kalten, stillen Kokon, in den sie eingehüllt war, zu dem Mann umdrehte, der auf
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