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Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)

Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)

Titel: Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
Autoren: Dani Aquitaine
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eingerostet nach all der denkfreien Zeit. Dabei hätte ich nachdenken müssen . Doch immer wenn der eine Gedanke sich träge knirschend näherte, drehte sich mein Gehirn in eine andere Richtung, wandte dem einen Gedanken den metaphorischen Rücken zu. Und ich versuchte auch nicht, mich nach ihm umzusehen. Weil er unangenehm war. Weil er mir keine Wahl ließ. Wenn ich mich auf ihn einließ, war ich verloren. Alles, worum meine Gedanken also bei jedem Klimmzug kreisten, war der Satz: Immer schön aufessen.
    Ich hatte vermutet, dass Victoria das gesagt hatte, weil ich ziemlich mager geworden war und mich für die Flucht stärken sollte. Also aß ich. Inzwischen bestand meine Ration standardmäßig nur noch aus Feldsalat, Fleisch und einem einfachen Nachtisch, denn die Obst- und Gemüsevorräte, die der Brand nicht vernichtet hatte, waren verbraucht, etwas Frisches noch nicht gewachsen. Erst jedoch, als ich ein paar Tage nach Victorias Besuch in meinem Joghurt auf eine kleine Metallkapsel stieß, ging mir ein Licht auf und ich begriff, was meine Freundin mir hatte sagen wollen.
    Mit zitternden Fingern drehte ich das klebrige Ding auf und fand eine Nachricht von Victoria darin vor. Morgen nach Mitternacht. Schwarze Kleidung, kein Ballast.
     
    Schon Stunden vor der nächsten Mitternacht war ich so nervös wie noch nie in meinem Leben zuvor. Klopfenden Herzens tigerte ich auf und ab und blickte immer wieder aus dem Fenster, um herauszufinden, wie spät es sein mochte, aber der Mond war noch nicht aufgegangen und anhand der Sterne konnte ich die Uhrzeit nicht ablesen. Meine astronomischen Lernfortschritte waren ins Stocken geraten, da ich nun schon fast ein halbes Jahr keinen Unterricht mehr besucht hatte. Als es schließlich fast unhörbar an der Wand klopfte, schrak ich zusammen, obwohl ich genau auf dieses Geräusch gewartet hatte.
    „Victoria?“
    „Ja. Leise. Hier.“
    Sie schob mir etwas Raues, Schweres durch den Wandschlitz. Ein Seil.
    „Such das Ende. Roll es so aus, dass es sich nirgendwo im Raum verheddern kann.“
    Das war einfach, der Raum war ja praktisch leer. Das andere Ende blieb auf Victorias Seite.
    „Und jetzt?“, wisperte ich.
    „Jetzt seilst du dich aus dem Westfenster ab.“
    Ich schluckte. Zwar hatte ich keine Höhenangst, aber bis zum Boden waren es etliche Meter.
    Louis!!! erinnerte mich mein Herz.
    „Okay.“
    „Keine Sorge, ich habe das Seil an meinem Ende mit einem großen Karabinerhaken am Treppengeländer befestigt. Das hält. Leg etwas an der Stelle unter, wo es auf dem Fensterbrett aufliegt, damit es nicht durchscheuert.“
    „Okay.“
    „Bleib möglichst nah an der Wand, damit dich Tawia vom Turm aus nicht entdeckt. Im Stockwerk drunter ist nur ein leeres Gästezimmer, aber im ersten Stock musst du aufpassen, dass dich niemand sieht. Sobald du unten angekommen bist, ziehe ich das Seil zurück und lasse es verschwinden. Die werden denken, du bist geflogen.“
    Das weckte unschöne Assoziationen und Erinnerungen. Ich vertrieb sie und versuchte, mich zu konzentrieren. „Okay.“
    „Dann läufst du Richtung Westen, direkt in den Wald und über die kleine Holzbrücke. Dort bekommst du weitere Instruktionen.“ Ich hörte das Lächeln in ihrer Stimme und mein Herz flatterte.
    „Okay“, wiederholte ich.
    „Das ist alles.“
    „Warum tust du das für mich?“
    „Keine Ahnung. Ich werde dich furchtbar vermissen und mich wahrscheinlich selbst verfluchen.“
    Vermissen. Der eine Gedanke zog unangenehm an meinem Hinterkopf, schaffte es fast in mein bewusstes Denken – doch ich riss es wieder an mich, ehe er sich Zutritt verschaffen konnte. Das war meine Chance und musste sie nutzen.
    „Tausend Dank!“, flüsterte ich.
    „Los jetzt“, drängte sie.
    „Okay.“
    Der Plan war gut, aber die Ausführung war nicht nur schwindelerregend, sondern auch schwieriger, als ich angenommen hätte. Ich hielt mich genau an Victorias Anweisungen, polsterte das Fensterbrett mit meiner Bettdecke ab und ließ das Seil lautlos bis zum Boden hinunter. Die komplizierteste Passage war das Hinausklettern an sich. Ich hielt das Seil straff, schlang es mir um die Hände und schob mich seitwärts durch das Fenster nach draußen. Meine Ellenbogen stützten sich auf das Fensterbrett und begannen trotz des Trainings der letzten Tage zu zittern, bis ich meine Füße in Position gebracht hatte und mich an der Wand abstützen konnte.
    Jetzt wollen wir hoffen, dass das Treppengeländer hält, was Victoria
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