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The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

Titel: The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
Autoren: Lee Goldberg
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könnte wieder zu Fragen über ihre Mutter führen.
    Schweigen war sicherer.
    Mit jedem Schritt wurden seine Schmerzen schlimmer, aber ihre winzige Hand in seiner zu spüren ließ ihn sich irgendwie stärker fühlen, so als könnte er alles auf sich nehmen, was nötig wäre, um sie zu beschützen. Nur durch diese Berührung trat sein eigenes Leben zugunsten des ihren in den Hintergrund.
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, ermutigte sie ihn, als der unausweichliche Moment gekommen war, den L. A. River zu überqueren. Er wollte vor ihr kein Zögern und keine Angst zeigen, darum schob er sie einfach so schnell über die Überführung, wie er nur konnte, ohne ohnmächtig zu werden.
    Wenn Buck irgendetwas davon wahrnahm, so verlor er kein Wort darüber, aber still war er auch nicht. Er pfiff beim Gehen Disney-Lieder vor sich hin. Marty wusste nicht, ob Clara sich dadurch besser fühlte, aber ihm half es. Er wünschte, Buck hätte schon in der Innenstadt angefangen zu pfeifen, anstatt zu sprechen. Der ganze Trip wäre um einiges angenehmer gewesen.
    Der Mond schien hell auf die Geschäfte mit ihren Wildwestfassaden und die holzverschalten Bürgersteige der Altstadt von Calabasas, einer Ansammlung überteuerter Restaurants, Antiquitätenläden und Immobilienbüros. Die kleine Straße war der Atmosphäre der Postkutschenstation nachempfunden, die hier in den 1860ern einmal gewesen war. Trotz ihrer authentischen historischen Vergangenheit sah die Straße doch wie ein verlassenes Filmset aus und war, wie sich herausstellte, genauso strapazierfähig. Das Beben hat die Häuser wie Pappkartons flach zusammengefaltet. Die Holzplanken auf den Gehwegen waren völlig zersplittert und mit solcher Kraft zerbrochen, dass abgerissene Bretter bis in die Bäume geschleudert worden waren, wo sie sich in den Ästen verhakt hatten.
    Doch dies war nicht das echte Calabasas, das ein paar Blocks weiter westlich viel treffender von einem Einkaufszentrum im mediterranen Stil repräsentiert wurde, das sich mit der größten Rolex-Uhr der Welt brüstete, angebracht über einem Ralph’s Supermarkt, der einen eigenen Sushi-Koch in Vollzeit beschäftigte.
    Sie waren jetzt so nah an zu Hause, dass Marty sich fragte, ob Beth ihn wohl hören könnte, wenn er ihren Namen rufen würde.
    »Wir sind fast zu Hause«, sagte Marty aufgeregt.
    Clara hielt an. »Du hast gesagt, du bringst mich nach Hause.«
    »Das tu ich auch«, sagte er.
    »Aber ich wohne nicht hier.«
    Marty schaute sie an, und plötzlich wurde ihm das furchtbare Missverständnis zwischen ihnen bewusst. Sie waren jetzt so kurz vor zu Hause, in ein paar Minuten hätte es keine Rolle mehr gespielt. Warum konnte er nur seine große Klappe nicht halten?
    »Ich bringe dich zu mir nach Hause«, sagte er so herzlich er konnte.
    »Ich will nach Hause«, sagte Clara, und ihr kleines Kinn zitterte, ihre Lippen kräuselten sich zu einem Schmollen.
    »Das weiß ich. Tut mir leid, dass du das falsch verstanden hast«, sagte Marty zu Clara. »Deine Mami hat mich gebeten, dich mit zu mir nach Hause zu nehmen.«
    »Warum?«, weinte sie.
    Er blickte zu Buck, der hilflos mit den Schultern zuckte. Das war Martys Problem.
    »Weil sie will, dass du in Sicherheit bist«, antwortete Marty.
    »Ich will nach Hause!« Clara riss ihre Hand von seiner los und marschierte weinend vor Wut und mit den Füßen stampfend los.
    Beth wüsste damit besser umzugehen als er. Sie hatte einen besonderen Draht zu Kindern. Er musste Clara nur dazu bringen, noch ein paar Blocks mit ihm mitzugehen, und dann wäre alles vorbei.
    Marty drehte sich um und flüsterte Buck zu: »Vielleicht solltest du sie dir schnappen und den Rest des Weges tragen.«
    »Ich weiß nicht, wie man ein Kind trägt«, erwiderte Buck.
    »Du trägst sie wie eine Einkaufstüte.«
    »Aha, ich packe sie also an den Haaren und lasse sie neben meinem Bein hin und her baumeln?«
    Marty wollte gerade antworten, als ihm etwas auffiel. Er hörte Clara nicht mehr weinen.
    Er hörte sie überhaupt nicht mehr.
    »Clara?«
    Marty drehte sich um und sah, wie sie völlig unbeweglich ein paar Meter entfernt stand und voller Entsetzen auf den Tiger starrte, der einen toten Labrador in seinem geifernden Maul trug.

KAPITEL SECHZEHN
    Fantasialand
    Nein.
    Zuerst dachte Marty, er halluziniere, dann erinnerte er sich an die Zirkusplakate am Ventura Boulevard und wusste, dass das gerade wirklich passierte. Der Tiger musste während des Erdbebens entkommen sein.
    Das große Tier stieß ein
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