Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder
Autoren: O'Brien Caragh
Vom Netzwerk:
Gefühle wurden mit der Zeit vertraut und erträglich. Eine Taube pickte vernehmlich im Schmutz vor ihren Füßen. Perry hatte sich wieder seinen Freunden zugewandt, und das Baby bewegte sich sacht in ihren Armen. Als Gaia den Marktplatz verließ und ihren Weg nach oben zum Tor fortsetzte, kam sie an einer Gruppe von Männern aus der Enklave vorbei, die ganz in Weiß gekleidet waren, und vermied ihre Blicke mit der Krempe ihres Huts.
    Gaias Aufgabe war es, ein Baby vorzubringen, und darauf würde sie sich nun konzentrieren. Sonya, die Mutter, hatte sich weder widersetzt noch beschwert. Als Gaia zu ihr kam, hatte sie gewusst, dass ihr Kind das dritte dieses Monats war, und hatte akzeptiert, dass der Säugling vorgebracht werden würde. Und obwohl Sonya bereits zwei Kinder hatte behalten können, empfand Gaia die Passivität der Frau als verstörend. Sie erwartete immer noch, dass die Mütter reagierten wie Agnes Lewis. Aber sie taten es nicht.
    Gaia betrachtete das schlafende Kind und streichelte erschöpft seine kleine, rosige Wange. »Du wirst ein schönes Leben haben«, flüsterte sie.
    Aufgeschreckt von einem Knallen und Platschen strich sie sich eine Strähne ihres dunklen Haars hinters rechte Ohr und erblickte einen schmutzigen Jungen, der den Staub von einer Regenrinne wusch.
    »Verschwendest du da etwa Wasser?«, rief eine Stimme aus der Tür hinter ihm.
    »Nein, Ma«, sagte er und wrang seinen Schwamm über dem Eimer aus.
    »Wenn du deinen Hut abnimmst«, meldete sich die Stimme erneut, »glaub mir, dann hau ich dir die Rübe ab. Ich will nicht, dass du dir einen Hitzschlag holst.«
    »Ich hab ihn auf.«
    Er schob sich seinen Hut zurück, um Gaia zuzugrinsen. Seine Zähne waren weiß, und seine Füße steckten tief in einer dunklen Schlammfurche. Von oben erklang das angenehme Lachen eines Mannes, den Gaia nicht sehen konnte, und sie hörte das Klappern von Geschirr.
    Die fortdauernde Abwesenheit ihrer Eltern ließ Gaia die verarmte Gemeinschaft außerhalb der Mauer mit neuen Augen betrachten. Vielleicht waren die drei vorgebrachten Babys ihres Sektors nichts anderes als die Bezahlung für das Wasser, die Mycoproteine und den Strom, den die Enklave ihnen allen gab. Vielleicht war der Tausch wirklich so einfach. Und war es die Sache wert? Sie passierte eine weitere Reihe sonnenbeschienener, zusammengeschusterter Schuppen und fragte sich, ob die Leute hinter den Rattanblenden sie vorbeiziehen sahen und insgeheim jubelten, dass dies das letzte Quotenbaby für den Mai war.
    Der zweite östliche Sektor hatte ebenfalls seine Quote erreicht. Gaia hatte die Neuigkeit tags zuvor von Emilys Mutter erfahren, die nur so tat, als bedaure sie, dass ihr Enkelkind nicht unter den Vorgebrachten sein würde. Emilys Augen strahlten vor Vorfreude auf die Mutterschaft, und ihr Ehemann Kyle stolzierte am Kai auf und ab, das schwarze Haar zurückgeworfen, und platzte fast vor Männlichkeit. Wie Emily und Kyle selbst würde ihr Kind ein Leben außerhalb der Mauer führen und heranwachsen, der Enklave zu dienen. Gaia konnte sich nicht richtig für die Eltern freuen, aber traurig war sie auch nicht, und das steigerte ihre Ver wirrung noch.
    Als die Straße langsam anstieg, sah Gaia zu ihrer Rechten den Trockensee, der einst voll Süßwasser gewesen war, ein unermesslicher Vorrat, der sich bis zum gleißenden südlichen Horizont erstreckt hatte. Heute lag Wharfton am Rande eines großen, leeren Beckens, das zu einem Tal aus Granit hin abfiel – mit felsigen Schwemmkegeln und Vorsprüngen, auf denen Espen und Wildblumen wuchsen. Wo einst Wasser war, gab es nur mehr eine Ahnung von Blau in dem ausgewaschenen Grau.
    Zu ihrer Linken wuchs die starke Mauer der Enklave mit jedem Schritt, den sie tat, höher und bedrohlicher empor.
    Die Tore standen zu dieser Tageszeit offen, und als Gaia um die letzte Kurve bog, konnte sie die sauberen, kühl anmutenden Gebäude dahinter erkennen. Die Pflastersteine waren in Wellenmustern angeordnet, und weiße Sonnensegel erzeugten einladende Schattenflächen. Zwei bunt gekleidete Mädchen standen unter der Markise eines der gepflegten Läden und spähten ins Schaufenster. Als eine junge Frau in Rot nach ihnen rief, wandten sie sich ab und folgten ihr gehorsam die Straße hinauf, bis Gaia nur noch das leuchtende Gelb ihrer identischen Hüte sah.
    »Das letzte diesen Monat, was?«, fragte der Wachmann, als Gaia näher kam. »Das dritte?«
    Gaia kannte ihn mittlerweile gut: Sergeant Georg Lanchester, der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher