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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder
Autoren: O'Brien Caragh
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größere der beiden Wachleute, die in der Nacht, als sie ihr erstes Baby gebracht hatte, Dienst geschoben hatten. Er besaß eine onkelhafte, gesprächige Ader, und während sie die ganze Zeit seinen mächtigen Adamsapfel angestarrt hatte, hatte sie erfahren, dass er außerhalb der Mauer aufgewachsen war. Ein zweiter Wachmann, ebenfalls in schwarzer Uniform, mit einem schwarzen, breitkrempigen Hut und offenbar gelangweilt, musterte sie nur kurz. Gaia nickte ihm respektvoll zu.
    »Hallo, Bruder«, sagte sie zu Sergeant Lanchester. »Irgendwelche Neuigkeiten von meinen Eltern?«
    Sergeant Lanchester drückte einen Knopf auf einer Schalttafel innerhalb des Tors.
    »Nicht, dass ich wüsste, Schwester. Ich habe aber ein Gerücht gehört, das dich interessieren wird.«
    Sie sah nervös auf und begann unwillkürlich, das Kind in ihren Armen zu wiegen, indem sie ihr Gewicht in einem einfachen Rhythmus von einem Bein auf das andere verlagerte. So weh es tat, verdrängte sie den Gedanken an ihre Eltern fürs Erste. »Und zwar?«
    »Es heißt, sie werden die Quote im Juni auf fünf erhöhen«, sagte Sergeant Lanchester.
    »Fünf!«, stieß sie aus. »Die Quote war nie höher als drei, und normalerweise lag sie bei einem oder zweien. Was ist denn los?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Sergeant Lanchester, »anscheinend gibt es eine rege Nachfrage. Tatsächlich verhält es sich so«, sagte er leise und beugte sich zu ihr, »dass ich dich mit einigen sehr respektablen Eltern da drinnen zusammenbringen könnte, solltest du von irgendwelchen Frauen hören, die Interesse an einem kleinen Nebenverdienst hätten. Ganz legal, versteht sich.«
    Gaia bemühte sich krampfhaft, ein möglichst unbeteiligtes Gesicht zu machen. War ihre Mutter je mit so etwas konfrontiert gewesen? Wie hätte sie sich verhalten? Sie wollte Sergeant Lanchester sicher nicht beleidigen, aber keinesfalls würde sie mit Babys handeln. Das deutete er doch schließlich an, oder nicht? Sie schaute nach dem zweiten Wachmann, aber der war außer Hörweite und sah in die andere Richtung.
    »Es wären ein paar hübsche Tvaltarkarten für dich drin«, fügte Lanchester hinzu und bestätigte damit ihren Verdacht.
    »Danke«, sagte Gaia. »Es ist eine Überlegung wert. Ich komme darauf zurück.«
    Sergeant Lanchester nickte und sah zufrieden aus. »Gutes Mädchen. Ich wusste, wir würden uns verstehen. Aus dir wird sicher mal noch was«, sagte er. »Ich würde es aber begrüßen, wenn diese Sache unter uns bliebe. Es sind sehr respektable Eltern, die ich da kenne, und sie schätzen Diskretion.« Er nickte kurz in Richtung des anderen Wachmanns. Dann richtete er sich auf und winkte ihn herbei. »Sieh dir dieses Kind an!«, rief er. »Das ist mir ein prächtiges kleines Kerlchen.«
    Der Wachmann, ein älterer Mann mit ergrautem Haar und kantigen, schmalen Schultern, kam näher, warf einen kurzen Blick auf das Kind, sagte jedoch nichts. Als er unverhohlen auf ihre Narbe starrte, fühlte Gaia, wie ihre Wangen warm wurden vor Scham, und sie rückte ihren Hut zurecht.
    Der Wachmann grunzte und ging wieder.
    Gaia sah an ihm vorbei, begierig, noch einen Blick auf die Enklave zu werfen. Weiter oben die gewundene Straße herab konnte sie Schwester Khol ihnen entgegeneilen sehen. Ihr weißer Umhang wehte hinter ihr im Sonnenschein. Sie hielt inne, als ein Mann sie grüßte, zog ihre Kapuze ins Gesicht und beugte sich vor, um kurz mit ihm zu reden.
    Eine Frau mittleren Alters in einem blauen Kleid schob sich an ihnen vorbei, um mit einem Korb auf dem Arm zum Marktplatz hinabzugehen.
    »Einen schönen Tag, Schwester«, sagte Sergeant Lanchester zu ihr und tippte sich an den Hut. »Ein feiner Nachmittag, nicht wahr?«
    Als die Frau eine vergnügte Antwort gab, fühlte Gaia einen vertrauten, sehnsuchtsvollen Schmerz. Die Leute aus der Enklave konnten heraus, wann immer sie wollten, aber nur sehr wenige aus Wharfton betraten jemals die Welt innerhalb der Mauer, und dann auch nur, wenn man sie ausdrücklich dazu aufgefordert hatte, einen Dienst zu verrichten oder eine Ware zu liefern. Gab es denn keine Möglichkeit, sich ein Leben innerhalb der Mauer zu verdienen? Ihre Sehnsucht verwirrte Gaia und vermischte sich nun mit der Angst um ihre Eltern.
    Schwester Khol trat durch das Tor. »Ah, Gaia!«, sagte sie. »Bringst du uns einen kleinen Jungen oder ein kleines Mädchen?«
    »Einen gesunden Jungen, Schwester«, sagte sie höflich.
    Die Frau schnalzte leise mit der Zunge. »Mädchen sind
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