Teufelsmauer

-Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises und stimmte dazu den notorischen Bayerischen Defiliermarsch an. Dirigieren durfte die Limeskönigin höchstpersönlich. Morgenstern sah, wie sie danach mit einigen Musikanten schäkerte, dann trat sie ans Mikrofon. Es knackste, und eine scheußliche Rückkopplung jaulte durchs Festzelt.
    Ein Mann am Nachbartisch beugte sich herüber. »Gleich kommt’s, aufgemerkt. Unsere neue Limeskönigin hat’s mit dem Reimen. Vielleicht wird ja eine Tradition draus. Prost!« Er stieß mit Morgenstern an.
    Die Königin klopfte mit dem Finger ans Mikrofon, räusperte sich. Dann fing sie an:
    Â»Von Berg und Tal, ihr lieben Gäst,
    ich grüße euch beim Limesfest.
    Verbringt mit uns hier frohe Stunden,
    dann wird euch Leib und Seel gesunden.«
    Die Morgensterns sahen sich ungläubig an. »Das biegt einem ja die Zehennägel hoch«, flüsterte Fiona. Ihr Gatte legte den Finger auf den Mund. »Pst!« Die Ode ging weiter.
    Â»Die Römer lebten einst bei uns,
    das tun wir aller Welt heut kund.
    Doch auch die tapferen Germanen,
    sie waren alle unsre Ahnen.«
    Das Publikum spendierte Zwischenapplaus und »Bravo«-Rufe. Bastian nutzte die Unruhe für die Frage: »Papa, was soll’n das werden?«
    Â»Pst!«, machte Morgenstern noch einmal.
    Die Limeskönigin hauchte weiter ins Mikrofon:
    Â»Der Limes ist uns eine Freude,
    stoßt an mit uns, ihr lieben Leute.
    Rom ging unter, doch auf Dauer
    bleibt uns die alte Teufelsmauer.
    Ein dreifach Hoch in diesem Sinn,
    stoßt an mit mir, der Limeskönigin.«
    Ein dienstbarer Geist auf dem Podium reichte der dichtenden Schönheit einen Maßkrug, den sie gut gelaunt in die Höhe stemmte. Die Blaskapelle nahm die Steilvorlage an und spielte »Ein Prosit der Gemütlichkeit«, gefolgt vom unvermeidlichen »Oans, zwoa, gsuffa«. Überall im Zelt klirrten die Krüge.
    Â»Da hast du deine Schönheitskönigin«, sagte Fiona lässig. »Ein typischer Fall von Text-Bild-Schere. Die Optik passt nicht zur Akustik. Und du fällst auf so was natürlich rein.« Sie verdrehte die Augen. »Typisch Männer.«
    Â»Vielleicht hat sie’s nicht selber gedichtet«, gab Morgenstern trotzig zurück.
    Doch er irrte.
    Der Dirigent trat nach vorne. »Ja, das war wieder eines der mittlerweile berühmten Gedichte aus der Feder unserer vielseitig begabten Barbara. Ich bitte Sie um einen herzlichen Applaus für die Limeskönigin.«
    Das Publikum klatschte erneut freudig, woraufhin die Schönheit »Dankeschön« ins Mikrofon hauchte, noch einmal mit den langen Wimpern klimperte und – wie von Heidi Klum angelernt – von der Bühne tänzelte.
    Anerkennende Pfiffe folgten ihr, was sie mit lächelndem Winken in die Menge quittierte. Sie schien ihren Auftritt zu genießen.
    Â»Prima, unsere Königin«, meldete sich der Mann vom Nachbartisch zu Wort. »Heuer kommt unsere Limeskönigin aus Hirnstetten. Kennst du des? Bist nicht von hier, stimmt’s?« Er schien schon ziemlich angesäuselt. »Hübsches Ding, die Tochter vom Moierbauer.«
    Â»Aha«, sagte Morgenstern.
    Â»Der größte Bauer da droben auf dem Jura.« Der Mann beugte sich verschwörerisch zu ihm herüber. »Einheiraten würde sich lohnen.« Er warf einen Blick auf Fiona, die amüsiert zuhörte. »Hoppla«, der Mann rülpste, »bist ja schon verheiratet. Soll ich dir was sagen …«
    Â»Gibt’s auch einen hübschen Burschen auf dem Hof?«, mischte sich Fiona ein. »Einer so um die zwanzig, der würde mir gefallen.«
    Der Mann musterte sie irritiert. »Was ich sagen wollte«, er wandte sich wieder an Morgenstern, »der Moierbauer hat große Pläne. Ganz große Pläne. Da fließt das Geld … aber was sag ich denn, bist ja schon verheiratet«, wiederholte er und nahm einen großen Schluck aus seinem Maßkrug.
    Bastian kam angeschlichen. Er war bleich. »Ich muss weg hier«, stammelte er. »Mir wird gleich schleeeee…«
    Vater und Sohn stürzten nach draußen.
    Zwei fahrbare WC -Wagen waren am Rand des Festplatzes geparkt. Einer für die Frauen, vor dem sich eine lange Schlange gebildet hatte, und einer – ohne Stau – für die Männer.
    Â»Schnell, Papa, es pressiert«, stöhnte Bastian.
    Die kurze Metalltreppe zum