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Teufelsmauer

Teufelsmauer

Titel: Teufelsmauer
Autoren: Richard Auer
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verbliebene Ausstattung der Wachsoldaten zusammen, um sie zur sicheren Verwahrung zum Streifenwagen zu bringen. Becher und Teller aus Ton, zwei klobige Hocker. Die zwei Lanzen. Sandner und Fiona trugen das Geschirr und die Hocker. Marius und Bastian wollten unbedingt die Lanzen tragen, zusätzlich zu ihren eigenen Holzwaffen, die sie kurzerhand in den Hosenbund steckten.
    Morgenstern klemmte sich eine der nackten Kunststoffpuppen unter den Arm, Ludwig Nieberle die andere. Es war ein bizarrer Anblick, als sie so quer über das Stoppelfeld zum Auto liefen.
    Nebenbei erzählte Nieberle, dass das Kastellgelände in Privatbesitz war. Mike Morgenstern erfuhr, dass es sich der Bauer nicht nehmen ließ, auf dem geschichtsträchtigen Gelände des ehemaligen Römerlagers Weizen und Mais anzubauen, ungeachtet all der Grundmauern, die noch tief im Boden schlummerten.
    Â»In ein paar Tagen kommt der mit seinem Vierscharwendepflug und bricht alles einen halben Meter tief um«, erklärte Nieberle.
    Morgenstern dachte an seine römerbegeisterten Kinder. »Sollte man das nicht besser schonen? Für die Nachwelt und so, du verstehst schon?«
    Â»Da kennst du unsere Bauern schlecht.« Nieberle setzte seine Puppe einen Moment lang ab, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. »Die machen, was sie wollen, und wenn ihnen wer reinreden will, machen sie grad mit Fleiß das Gegenteil. Mir persönlich ist das egal. Soll er doch pflügen und eggen. Wenn man hier alles schonen wollte, wo mal die Römer waren, dürfte man nirgendwo mehr pflügen.« Er deutete vage um sich, um zu zeigen, dass im Grunde der ganze Landkreis Eichstätt einst Römerland gewesen war.
    Â»Aber da kann man doch was draus machen«, sagte Fiona, die ebenfalls eine kurze Pause einlegte und sich dabei auf den praktischen hölzernen Hocker setzte. »Die Leute mögen so etwas, da muss man sich nur mal unsere Kinder ansehen.« Sie zeigte auf den Parkplatz, wo sich Marius und Bastian schon wieder einen Kampf lieferten, zum Glück mit den Holzschwertern und nicht mit den schweren, spitzen Lanzen.
    Â»Keine Sorge, das passiert schon«, sagte Nieberle. »Drüben Richtung Autobahn ist ein großer römischer Freizeitpark in Planung. Der ›Augustus-Park‹. Schon mal davon gehört?«
    Morgenstern nickte unbestimmt, ebenso Fiona. »Ich glaube, da war immer wieder was in der Zeitung gestanden.«
    Â»Ein Dauerthema«, sagte Nieberle. »Das wird so eine Art Legoland, nur eben römisch-germanisch. Ein Riesenprojekt, soll Millionen von Besuchern anlocken.«
    Â»Aber das ist doch total künstlich«, sagte Fiona. »Wer will denn so was haben?«
    Morgenstern zuckte mit den Schultern, nahm seine Legionärspuppe wieder auf und hielt sie umschlungen, als wollte er mit ihr Tango tanzen. So marschierte er das letzte Stück zum weiß-grünen Streifenwagen.
    Er und Nieberle platzierten die beiden Nackten auf dem Rücksitz, die Kinder drückten ihnen noch die Lanzen in die Hand, Hocker und Geschirr kamen in den Kofferraum, dann rollte der Wagen davon.
    Â»Wer klaut einem Legionär die Uniform?«, sinnierte Morgenstern und schaute dem Streifenwagen hinterher. »Was will einer mit einem Kettenhemd?«

MONTAG
    Morgenstern hatte sich hinter dem Lokalteil des »Eichstätter Kurier« verschanzt. Die gesamte erste Lokalseite war dem Kipfenberger Limesfest gewidmet, genauer gesagt den Darbietungen auf dem Marktplatz und dem anschließenden Festzug. Obwohl nichts Neues zu erwarten war – schließlich hatte er alles mit eigenen Augen gesehen –, betrachtete Morgenstern interessiert die Fotos und den Hauptartikel, der lokalpatriotisch von einem »rundum gelungenen Fest« schwadronierte.
    Leider wurde die Dichtkunst der Limeskönigin nicht ironisch auf die Schippe genommen, wie Morgenstern sich das gewünscht hätte. Vielleicht hob sich die Redaktion das für den Freitag auf, wenn die wöchentliche Glosse solcherlei Dinge anonym und weitgehend gefahrlos aufspießen konnte, indem sie Barbara Breitenhiller beispielweise für den Ingeborg-Bachmann-Preis vorschlug.
    Kein Wort also von der Dichtkunst, dafür fand sich, in einem grau hinterlegten Textkasten, eine Exklusivmeldung. Die Überschrift lautete: »Kampf der Königinnen«.
    Morgenstern überflog den kurzen Text, grinste übers ganze Gesicht und las die Meldung dann laut
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