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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin
Autoren: Chadwick Elizabeth
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E RSTES K APITEL
    D AS F ÜRSTENTUM
A NTIOCHIEN
    F RÜHLING 1139
    Antiochia,
die Hauptstadt von Fürst Raymonds Domäne, bescherte Renard ein böses
Erwachen. Es war einfacher, mit den Türken zwischen den
Nosairi-Ausläufern zu kämpfen, als auf einem nervösen Schlachtroß durch
eine belebte schmale Straße zu reiten, im Schlepptau eines wenig
vertrauenerweckenden Kamelhinterns.
    Renard haßte
Kamele. Diese Abneigung rührte von jenem Zwischenfall während seines
ersten Aufenthalts in St. Simeon vor vier Jahren her. Damals hatte ihm
eines dieser Tiere ekligen grünen Schleim auf die Tunika gespuckt und
versucht, ihn an einer Wand zu zerquetschen. Plötzlich blieb das Biest
stehen, das ihm derzeit die Sicht versperrte. Renards Hengst legte die
Ohren flach an den Kopf, bäumte sich leicht auf und schwenkte den
Körper seitwärts, um einen Zusammenprall zu vermeiden. Der Beduine, der
das Kamel ritt, stieß zwischen schwarzen Zähnen einen Fluch hervor und
schlug mit einem dünnen Stachelstock auf das Tier ein. Seelenruhig
begann es seinen Darm zu entleeren. Auch Renard fluchte, als er
Gorvenal nach hinten lenkte, in sichere Entfernung.
    William
de Lorys, ein Ritter in seinem Gefolge, faltete die kräftigen braunen
Finger über seinem Sattelknauf und grinste breit. Und Ancelin, Renards
riesiger englischer Schildträger, kicherte in den blonden Bart, bis ihm
Lachtränen kamen. Der Blick, den Renard den beiden zuwarf, steigerte
ihre Belustigung noch, und hinter ihnen bezähmten einige seiner
Soldaten mühsam ihren Lachreiz.
    Das Kamel trottete
weiter. Plump bewegten sich die großen flachen Füße. Renard schnalzte
mit der Zunge, und der Hengst Gorvenal tänzelte widerstrebend dahin,
irritiert angesichts des Kamels und der gewaltigen Menschenmenge in der
Stadt, über der drückende Hitze lag.
    Ein Bettler hielt
den eiternden Rest eines Arms vor Renards Gesicht und flehte winselnd
um Geld. Ein anderer zeigte ihm leere Augenhöhlen und eine verstümmelte
Nase. Das alles hatte er schon oft genug gesehen und gehört, und er war
zu ungeduldig und reisemüde, um etwas anderes zu empfinden als Ärger.
Vier Jahre in Levante, dachte er. Manchmal erschienen sie ihm wie
vierzig. Zwischen den Grenzbergen seiner Heimat und St. Simeon im
nördlichen Syrien hatte er nicht nur Meere und Gebirgsketten überquert,
sondern auch die Trennlinie zwischen Jugend und Reife. Ein rastloser
Dreiundzwanzigjähriger am Hof seines Großvaters König Henry, hatte er
Raymond von Poitiers getroffen, einen Gleichgesinnten. Und als Raymond
nach Levante aufgebrochen war, um Fürst von Antiochien zu werden, hatte
Renard das Kreuz genommen und ihn begleitet.
    Beim
Abschied hatten seine Mutter und die Schwester geweint. Aber sein
Vater â€“ ein scharfer Beobachter, dem nichts entging â€“ hatte
gemeint, jeder Mann habe das Recht, sich die Hörner abzustoßen, solange
er was daraus lerne. Renard vermutete, daß er irgendwann auf seinem
langen Weg etwas gelernt haben mußte. Manchmal peinigte ihn die
Rastlosigkeit immer noch, aber nun konnte er sie besser kontrollieren
und nutzen.
    Das Kamel, das einen Großteil seines
Blickfelds ausfüllte, zwängte sich zwischen zwei Packeseln hindurch und
in eine unglaublich enge Seitenstraße, die zum Suk führte. Erleichtert
seufzte Renard auf, entspannte sich, an die Hinterpausche des Sattels
gelehnt, und betrachtete seine Umgebung etwas duldsamer.
    Sein
Haus in der Stadtmitte, nahe dem Palast, war aus weißen,
sonnengebleichten Steinen um einen kühlen Hof mit Feigenbäumen und
einen Brunnen im syrischen Stil herumgebaut. In einem ummauerten Garten
plätscherte ein weiterer Brunnen, umgeben von Blumenbeeten, Büschen und
Zitronenbäumen mit dunklen Blättern. Früher hatte es einem Emir gehört.
Das behauptete zumindest Johad, sein levantinischer Diener.
    Als
Renard nun abstieg und die Reitknechte angelaufen kamen, um die Pferde
zu übernehmen, erschien Johad an seiner Seite. Er verneigte sich tief,
lächelte strahlend und reichte seinem Herrn einen Becher mit frisch
ausgepreßtem Fruchtsaft, der durstig getrunken wurde.
    Â»Johad,
du bist ein Himmelsgeschenk!« erklärte Renard auf arabisch, erwiderte
das Lächeln und nahm den Helm ab. Das schwarze Haar klebte am Kopf,
Schweiß rann in den rötlichen Dreitagebart. Er gab seinem Diener den
Becher zurück und ging durch
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