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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)
Autoren: Annelie Wendeberg
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aktiven Kulturen eine ordentliche Portion Kreosot geben und das Ganze am nächsten Morgen, wenn keine Gefahr mehr davon ausging, in die Themse schütten.
    Bonsell drehte sich um, und ich war wieder unter Beobachtung. Zwei Minuten später gesellte sich Strowbridge hinzu.
    Gegen Mittag erreichte mich ein Telegramm von Bowden: Komme heute Abend, sechs Uhr, zu Ihnen nach Hause. J.   B.

    ch goß Tee auf und stellte zwei Tassen und die Kanne auf den Tisch. Der Sessel war für Bowden; ich würde mit meinem einzigen Küchenstuhl vorliebnehmen. Er klopfte zweimal, ich öffnete und ließ ihn herein.
    »Danke, dass Sie kommen konnten, Dr. Bowden. Bitte, nehmen Sie doch Platz. Darf ich Ihnen einen Tee anbieten?«

    Er nickte und inspizierte die Tasse, bevor er vorsichtig einen Schluck nahm. Mit einem Klick setzte er sie auf der Untertasse ab und blickte mich erwartungsvoll an.
    »Die Cholerakulturen sind fertig, Dr. Bowden. Bonsell und ich haben genug aktive und hitzeinaktivierte Flüssigkulturen hergestellt, um sie morgen zu testen, wenn Sie möchten. Wir müssen sie allerdings in den nächsten zwei Tagen einsetzen. Wenn wir sie zu lange in diesem Zustand belassen, verlieren sie ihre Wirkung.«
    Bowden nickte langsam. Er hatte noch kein Wort gesprochen. Ich lehnte mich auf dem Stuhl zurück. Die hölzerne Lehne knackte.
    »Möchten Sie, dass ich Ihnen sage, was wir als Nächstes zu tun haben?«
    Bowdens Mundwinkel zuckten, und seine Pupillen weiteten sich zu dem üblichen, gedankenverschluckenden Schwarz.
    »Dr. Bowden, Sie trauen mir ungefähr so viel«, sagte ich und hielt meine rechte Hand hoch, Daumen und Zeigefinger einen Millimeter voneinander entfernt. »Aber denken Sie daran, ich kann für das, was ich für Sie getan habe, verurteilt werden. Ich bin absolut offen zu Ihnen, sogar so offen, dass es Sie schockiert. Trotzdem können Sie sich immer noch nicht entscheiden, ob Sie mir trauen oder nicht. Warum?«
    »Sie sind Deutscher.«
    Ich war sprachlos. »Nun, das ist weder mein Fehler, noch sollte es ein Problem sein. England ist mein Zuhause. Ich habe nicht viele Erinnerungen, an denen ich hänge, wenn es um mein früheres Leben in Deutschland geht.«
    Bowden rührte sich nicht; er lächelte nur kalt und ungläubig.

    »Und noch einmal, ich kann Ihnen die Entscheidung nicht abnehmen. Ich bin das Warten leid, Dr. Bowden. Ich weiß, dass Sie neue Versuchspersonen für einen Choleraversuch ausgesucht haben, bereits vor einigen Tagen.«
    Bowdens Grinsen verschwand.
    »Ich bin nicht dumm, Dr. Bowden. Deshalb haben Sie mich doch ausgewählt. Ich beobachte genau. Mir ist aufgefallen, dass Insassen der Armenhäuser verschwunden sind. Nur jene, die die Einverständniserklärung unterschrieben haben, nicht für den Tetanusversuch ausgesucht wurden und keine Familie haben. Das waren nicht viele. Zwanzig Versuchspersonen, zehn Männer, zehn Frauen, wenn ich richtig gezählt habe. Sie haben sie an einen anderen Ort gebracht, um sie mit Cholera zu infizieren, etwas, das Sie unter den Augen der Londoner kaum wagen würden.«
    Ich hatte Bowden scharf im Blick. Langsam wich alle Luft aus seinen Lungen. Der Körper des Mannes verlor die Spannung und passte sich der weichen Form meines Sessels an.
    »Dr. Kronberg, es ist an der Zeit, dass ich Ihnen Broadmoor zeige.« Er wirkte erleichtert, als er das sagte.
    »Ich kenne Broadmoor und Nicholson. Er ist ein ehrgeiziger Mann und wahrscheinlich genau der Richtige für Sie. Er hat keine Skrupel und schert sich nicht um moralische Fragen«, antwortete ich und versuchte, mein wild klopfendes Herz zu beruhigen.
    Kurz darauf vereinbarten wir, am nächsten Morgen der Broadmoor-Irrenanstalt einen Besuch abzustatten.

    owden ging voraus, als wir den Hof von Broadmoor überquerten und auf die Hochsicherheitstrakte zusteuerten. »Wir haben zwanzig Versuchspersonen ausgewählt, wie Sie korrekt festgestellt haben«, sagte er.
    Ich erinnerte mich an den Ort, die Angst und die Nacht unter dem Baum. Hastig schob ich die Erinnerungen beiseite.
    Wir passierten den großen Saal, an den kalten Steinmauern hallten unsere Schritte wider, und wir kamen an zwanzig Pritschen vorbei, jede mit vier Fesseln ausgestattet. Mit dem scharfen Klacken unserer Schuhe verwob sich ein leises Murmeln. Es sickerte vom Ende des Saales zu uns und kündete von der endgültigen Ankunft des Schreckens.
    Ich ging auf das Geräusch zu, Bowden lief hinter mir. Wir schritten durch einen Torbogen, einen engen Korridor entlang, der sich wie
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