Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mörder mit der Spritze

Der Mörder mit der Spritze

Titel: Der Mörder mit der Spritze
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
1
     
    Das alte Holzhaus sah aus, als
wollte es mit dem nächsten kräftigen Windstoß davonfliegen, zusammen mit dem
halben Dutzend anderer Häuser, die in Forestvilles einzigem Sanierungsgebiet ums Überleben kämpften. Und wenn der Wind ausblieb,
würde der Urwald, der den Vorgarten bereits verschlungen hatte, das Gerümpel
eines Tages ersticken und überwuchern.
    Ich klopfte an die Tür, ganz
sanft, um das Haus nicht zu sehr zu erschüttern, und sah blaßgrüne ,
verwitterte Farbe abblättern und auf die nackten Bretter der Veranda fallen.
Drinnen tobte Musik, die laut genug war, einen startenden Jumbo zu übertönen.
Ich schauderte, wenn ich mir überlegte, was die Vibrationen mit den Fundamenten
anstellten.
    Mein Klopfen hörte
selbstverständlich keiner. Bei dem Getöse, das da drinnen an die Wände
brandete, konnte mich niemand hören, selbst wenn ich die Tür einschlug. Sie
würde wahrscheinlich sowieso bald einfallen, wenn ich noch eine Weile
stehenblieb. Da ich aber keine Lust hatte zu warten, machte ich einfach auf und
ging hinein.
    Wellen elektronischen Terrors
fegten über mich hinweg, und ich tastete mit einer Hand nach der Wand, um
festen Halt zu finden. Die Wand war genauso erschüttert wie ich, aber ich
brachte es fertig, den Eingangswiderstand meines Kopfes so einzustellen, daß
der kreischende elektronische Orgasmus keinen unmittelbaren Schaden anrichtete.
    »Na, Papi, was willst du denn
hier ?« brüllte eine rauhe Stimme. Es klang, als seien die Stimmbänder mit grobem Sandpapier geschliffen
worden.
    »Ich bin Randall Roberts«,
sagte ich fröhlich und starrte die riesige Gestalt an, die aus der Dunkelheit
aufgetaucht war. Der Raum war völlig dunkel, aber ich konnte diesen Knaben in
dem schwachen Licht, das von der Straße durch die Tür hereinkam, ganz gut
erkennen. Mehr brachte ich aber nicht heraus, weil der Anblick mir die Sprache
verschlug.
    Vor allem war er nackt. Das war
schon eindrucksvoll genug, wenn man berücksichtigt, daß er einsneunzig groß war, überall dicht und schwarz behaart, lange, kräftige Arme und kurze,
stämmige Beine hatte — darüber hing ein breites Gesicht mit einer platten Nase,
kleinen Schlitzaugen und einer fliehenden Stirn, mit mächtigen, dicht
bewachsenen Wülsten über den Augen. Da stand er nun und stierte mich an.
    Langsam erholte ich mich von
dem Schock. »Ich suche ein Mädchen, aber ich glaube nicht, daß Sie es sind«,
sagte ich ruhig, nachdem ich mich davon überzeugt hatte, daß er echt war — und
wahrscheinlich harmlos.
    »’ne Menge Mädchen hier«, sagte
er grinsend und schmatzte mit dicken Lippen. »Wenn du eins haben willst, mußt
du erst mal beweisen, daß du cool bist .«
    »Ausziehen !« rief eine weibliche Stimme auffordernd aus der Finsternis.
    »Und macht endlich mal die Tür
zu !« brummte ein deutlich mißmutiges männliches Wesen.
    Was hatte ich schon zu
verlieren außer meiner Unschuld? Mit dem Absatz drückte ich die Tür zu und
stellte überrascht fest, daß sie dabei nicht aus den Angeln fiel. Dunkelheit
umgab mich wie warmes Wasser, und widerhallende Schallwellen donnerten um mich
her wie eine schwere Brandung.
    »Wer ist das Mädchen — hat sie
vielleicht einen Namen ?« brüllte der Große, Haarige
aus einiger Entfernung. Ich konnte ihn gerade noch erkennen.
    »Sandra Stilwell«, krächzte
ich. Meine Stimme begann bei der Anstrengung überzuschnappen.
    »Kenn ich nicht«, sagte er
gleichgültig. »Was ist schon ein Name? Um Nachnamen kümmert sich hier sowieso
niemand. Wie sieht sie denn aus ?«
    »Ungefähr einssiebzig ,
rote Haare, schmales, blasses Gesicht. Sehr hübsch, fast eine Schönheit.
Zumindest sieht sie auf den Bildern so aus .«
    »Persönlich kennst du sie nicht ?« Seine Stimme hatte einen schwachen Unterton von Mißtrauen .
    »Nein«, gab ich zu. »Ich bin
Rechtsanwalt — und sie ist meine Mandantin .«
    »Wie kann sie denn deine
Mandantin sein, wenn du sie noch nie gesehen hast ?«
    »Wie komme ich eigentlich dazu,
Ihnen Fragen zu beantworten, obwohl ich noch gar nicht weiß, wer Sie überhaupt
sind ?«
    »Ich bin Harry. Man nennt mich
Harry Ape , weil ich wie ein Affe aussehe, wie du
vielleicht schon festgestellt hast. Und wenn du mit mir reden willst, mußt du
dir dein >Sie< sonstwo hinschieben .«
    »Ist mir auch schon so
aufgefallen, daß hier niemand unter übertriebener Förmlichkeit leidet«,
bemerkte ich. »Okay, Harry. Du könntest mir wirklich helfen, wenn du mir einen
Hinweis auf dieses Mädchen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher