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Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten

Titel: Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
Autoren: Anne Bishop
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Kapitel 1
    1 Terreille
    Dorothea SaDiablo, die Hohepriesterin des Territoriums Hayll, erklomm langsam die Stufen der großen hölzernen Tribüne. Es war ein sonniger Morgen im Frühherbst, und Draega, die Hauptstadt von Hayll, lag so weit im Süden, dass es tagsüber immer noch warm war. Der schwere, schwarze Umhang, der ihren gesamten Körper verhüllte, ließ Dorothea den Schweiß ausbrechen. Unter der weiten Kapuze war ihr Haar feucht, und ihr Hals juckte. Doch das war unwichtig. In ein paar Minuten würde sie den Umhang ablegen können.
    Oben angelangt, erblickte sie das große Segeltuch, das über einem unförmigen Umriss ausgebreitet war und die gesamte Vorderseite der Tribüne einnahm. Von der wartenden Menge aus musste das Tuch gut sichtbar sein. Automatisch hielt sie für einen Moment die Luft an. Wie närrisch von ihr, besorgt zu sein! Sie hatte jeden Zauber benutzt, den sie kannte, um das Geheimnis unter dem Segeltuch zu bewahren, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war. Sie zwang sich, wieder normal zu atmen, und schritt über die Tribüne. Einen knappen Meter hinter dem Tuch blieb sie stehen.
    Die Königinnen aus allen Territorien des Reiches Terreille beobachteten sie misstrauisch und voll Groll. Dorothea hatte verlangt, dass jede Territoriumskönigin ihre beiden stärksten Provinzköniginnen und sämtliche Kriegerprinzen mitbrachte, die ihr dienten. Selbstverständlich waren nicht wenige der Königinnen, insbesondere diejenigen aus den Territorien weit im Westen, in der Erwartung angereist, es handele sich um eine Falle.
    Nun, die Kanaillen hatten Recht! Doch wenn sie ihnen den Köder nur auf die richtige Art und Weise präsentierte, würden
sie bereitwillig und ohne zu überlegen auf ihre List hereinfallen.
    Dorothea hob die Arme. Das träge dahinplätschernde Gemurmel der Menge wurde immer leiser, bis es schließlich völlig verstummte. Sie bediente sich der magischen Kunst, um für alle Anwesenden deutlich vernehmbar zu sein, und führte dann den nächsten Zug in einem tödlichen Spiel um die Macht aus.
    »Meine Schwestern und Brüder, ich habe euch heute hier versammelt, um euch vor einer schrecklichen Entdeckung zu warnen, die ich kürzlich gemacht habe. Ein Übel, das eine Bedrohung für jeden einzelnen Angehörigen des Blutes im gesamten Reich Terreille darstellt!
    In der Vergangenheit habe ich unsagbar grausame Dinge getan. Ich bin für die Ermordung von Königinnen und einigen der tapfersten Männer des Reiches verantwortlich. Ich habe die Angehörigen des Blutes in Angst und Schrecken versetzt, um Terreille unter meine Kontrolle zu bringen. Ich! Eine Hohepriesterin, die besser als jeder andere weiß, dass eine Priesterin keine Königin ersetzen kann, egal, wie geschickt oder wie stark sie in der Kunst sein mag.
    Ich werde die traurige Last dieser Taten für den Rest meines Lebens mit mir herumtragen müssen. Aber hier und heute sage ich euch: Man hat mich benutzt! Als ich vor ein paar Wochen meine Fähigkeiten als Schwarze Witwe einsetzte, um ein Verworrenes Netz aus Träumen und Visionen zu spinnen, zerriss ich versehentlich einen mentalen Schleier, der mich all die Jahrhunderte hindurch umgeben hatte, in denen ich die Hohepriesterin von Hayll gewesen bin. Ich kämpfte mir einen Weg durch diesen mentalen Nebel und erkannte endlich, wovor mich meine Verworrenen Netze schon seit so langer Zeit hatten warnen wollen.
    Es gibt tatsächlich jemanden, der die Macht an sich reißen und über ganz Terreille herrschen will; der sich sämtliche Blutleute in diesem Reich unterwerfen möchte. Aber ich bin es nicht! Ich war das Instrument eines monströsen, bösartigen Wesens, das uns zermalmen und verschlingen möchte, das
auf die gleiche Weise mit uns spielt wie eine Katze mit der Maus, kurz bevor sie ihr den tödlichen Schlag versetzt. Dieses Ungeheuer hat einen Namen – einen Namen, der seit vielen tausend Jahren gefürchtet wird – und das zu Recht. Unser aller Feind ist der Prinz der Dunkelheit, der Höllenfürst.«
    In der Menschenmenge erhob sich unbehagliches Gemurmel.
    »Ihr zweifelt an meinen Worten?«, rief Dorothea. Sie riss sich den Umhang vom Leib und schleuderte ihn beiseite. Da fiel ihr das strähnige weiße Haar auf die Schultern, das noch vor wenigen Wochen dicht und schwarz gewesen war. Ihr schlaffes, zerfurchtes Gesicht verzog sich, und Tränen traten in ihre goldenen Augen, als aus dem Gemurmel Rufe des Entsetzens wurden. »Seht, was aus mir geworden ist, während ich mich aus dem
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