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Terrorist

Terrorist

Titel: Terrorist
Autoren: John Updike
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Kühnheit flink zurück. Innerlich fühlt er sich puddingweich, und er befürchtet, dass sein Gesicht vor Angst beschämend starr wirkt, doch einem überlegenen Gegner Paroli zu bieten und die massige Kraft der Wut in sich zu spüren, erfüllt ihn mit frommer Seligkeit. Man wird fest, wenn man Widerstand leistet, und ganz ruhig. Er wagt sich weitet vor. «Und blöd fand sie mich auch nicht gerade. Dass jemand wie Joryleen einfach nur freundlich sein kann, rafft ein Typ wie du natürlich nicht.»
    «Ein Typ wie ich? Wie ist der denn? Ein Typ wie ich hat nichts übrig für einen Typ wie dich, merk dir das, du Blödmann. Du schwuler Arsch. Du Tunte.»
    Sein Gesicht ist so nah, dass Ahmed den Käse von den Makkaroni in der Schulkantine riecht. Er setzt Tylenol die Faust auf die Brust und sorgt für Abstand. Andere scharen sich nun auf dem Flur um sie, die Cheerleader-Girlies und Computer-Freaks, die Rastas und die Grufties, die Mauerblümchen und die Schlaffis, und warten darauf, dass etwas Unterhaltsames passiert. Tylenol behagt das Publikum; er blubbert: «Gegen Black Muslims hab ich nichts, aber du bist ja keiner. Gar nichts bist du, bloß ein armer Spinner. Kein Wollkopf, bloß ein Wirrkopf.»
    Ahmed rechnet damit, dass Tylenol ihn ebenfalls zurückschubsen wird, was er hinnehmen würde, um auf billige Weise aus dieser Konfrontation herauszukommen, zumal es gleich zur nächsten Unterrichtsstunde läuten muss. Tylenol ist jedoch nicht auf Waffenstillstand aus; er versetzt ihm einen hinterhältigen Hieb in den Magen, von dem Ahmed die Luft wegbleibt, Ahmeds verdutzte Miene, sein aufgerissener Mund bringen die zuschauenden Mitschüler zum Lachen, einschließlich der kalkgesichtigen Grufties, einer Gruppe von Weißen an Central High, die stolz darauf sind, nie ein Gefühl zu zeigen wie ihre Idole, die nihilistischen Punk-Rock-Stars, und samt einiger quirliger, draller brauner Mädchen, denen es nur darum geht, wie beliebt sie sind, und die, findet Ahmed, freundlicher sein sollten. Eines Tages werden sie Mütter sein. Eines baldigen Tages. Kleine Huren.
    Er ist dabei, das Gesicht zu verlieren, und hat keine andere Wahl, als sich in Tylenols eiserne Pranken zu stürzen und, wenn er kann, dessen panzergleichen Brustkorb und quadratisches poliertes Nussbaumgesicht ein bisschen zu verbeulen. In dieser Runde bleibt es weitgehend bei Gerempel, Geschubse und Gegrunze, denn bei einem richtigen Boxkampf würden sie gegen die Spinde prallen, und der Krach würde Lehrer und Sicherheitskräfte auf den Plan rufen. In diesem Moment, kurz bevor die Glocke ertönt und sie in ihre verschiedenen Unterrichtsräume sausen müssen, gibt Ahmed die Schuld weniger dem anderen Jungen – der ist schließlich nur ein Roboter aus Fleisch und Blut, ein junger, von seinen Körpersäften und Reflexen gelenkter hirnloser Koloss – als Joryleen. Warum musste sie ihrem Freund auch in allen Einzelheiten von einem Gespräch unter vier Augen erzählen? Warum müssen Mädchen überhaupt immer alles erzählen? Um sich wichtig zu machen, genau wie die Typen, die diese aufgepumpten Graffiti-Lettern auf wehrlose Wände sprayen. Sie hatte von Religion zu reden angefangen – mit ihrer blöden Einladung in ihre Kirche, wo er mit kruselhaarigen Heiden zusammensitzen würde, die vom Höllenfeuer so angesengt sind wie rösch gegrillte Hühnerschlegel. Die Teufel ihn ihm müssen ja erwachen und zu murmeln beginnen, wenn Gott es so vielen grotesk irrigen, korrupten Religionen gestattet, Millionen von Menschen auf ewig in die Hölle hinabzulocken, wo der Allmächtige ihnen doch mit einem einzigen aufblitzenden Lichtstrahl den Weg zeigen, den Rechten Weg weisen könnte. Es ist, als wäre es dem Barmherzigen, dem Gütigen (raunen Ahmeds Teufel, während er und Tylenol fuchtelnd und schubsend aufeinander losgehen und sich bemühen, keinen Lärm zu machen), egal.
    Die Glocke in ihrem kleinen, gegen unbefugte Eingriffe gesicherten Kasten hoch oben an der senffarbenen Wand ertönt. Ein Stück weiter den Flur entlang öffnet sich klickend eine Tür mit großer Milchglasscheibe; Mr. Levy, ein Schülerberater, erscheint. Sein Jackett passt nicht zu seiner Hose, es sieht aus, als hätte er sich blindlings einen zerknüllten Anzug zusammengesucht. Erst abwesend, dann alarmiert starrt er auf die verdächtige Schar von Schülern. Sofort muckst sich keiner mehr, Ahmed und Tylenol lassen voneinander ab und frieren den Tumult ein. Mr. Levy, ein Jude, der schon seit einer Ewigkeit in
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