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Terakon

Terakon

Titel: Terakon
Autoren: Eva Maria Klima
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Michael sagte: "Bis jetzt gab
es keine Probleme."
    Er hätte vielleicht nicht zu voreilig sein sollen, denn im selben Moment
ertönte eine tiefe Stimme hinter uns: "Ja bis jetzt.", gefolgt von
böswilligem Gelächter.
    Vor und hinter uns traten jeweils fünf düstere in Leder gekleidete Gestalten
aus dem Schatten. Ihre Köpfe waren kahl geschoren. Jeder war mit einer
Eisenstange oder einem Messer bewaffnet.
    Verängstigt machte ich einen Schritt zur Seite und sah Michael vorwurfsvoll an.
Er war völlig unbeeindruckt. Verstand er nicht, dass wir in Gefahr waren?
    Sarah stand bewegungslos vor mir, starr vor Angst. Daher streckte ich meine
Hand aus, fasste sie an der Schulter und zog sie zu mir. Alessandro umarmte die
inzwischen zitternde Sarah und flüsterte ihr mit liebevoller Stimme, "habe
keine Angst", ins Ohr.
    Anstatt sich zu fürchten lächelte Michael, gab mir einen kurzen Kuss auf den
Mund und zwinkerte mir mit einem Auge zu.
    Dann passierte alles so schnell, dass ich dem Geschehen kaum folgen konnte. Was
ich wahrnahm war, dass unsere Begleiter die Initiative ergriffen. Die meisten
Skinheads lagen nach ein paar Sekunden wimmernd am Boden. Einer der Angreifer
stürmte auf mich zu. Bevor er bei mir ankam, packte ihn Michael an der Schulter
und warf ihn nach hinten. Ich muss zu Tode erschrocken gewirkt haben, was ich
ohne Frage auch war. Michael suchte kurz Blickkontakt mit mir und wollte mich
durch ein aufheiterndes Lächeln und ein kurzes, "keine Angst",
beruhigen. Der Effekt dieser Geste wurde zerstört, als ihm einer der Angreifer
ein Messer in den Rücken rammte. Hätte ich gewusst wie, hätte ich geschrien. So
blieb ich einfach regungslos stehen. Die einzige Auswirkung, die das Messer auf
Michael zu haben schien war, dass sich seine Laune sichtlich verschlechterte.
Er drehte sich blitzschnell um, packte den Angreifer und dieser landete 10
Meter entfernt am Boden. Der Kampf war vorbei.
    Philippe und Alessandro amüsierten sich köstlich. Sie lachten und lästerten.
"Michael, hat dir der böse Mensch wehgetan?"
    Sie fanden es wirklich unbeschreiblich komisch, dass Michael von einem
‚einfachen Menschen‘ verwundet wurde. Als wäre er kein Mensch - er war doch ein
Mensch, oder?
    Ich ging langsam zu ihm, streckte mich in die Höhe, um seine Schulter zu
betrachten. Die Wunde war beinahe verheilt. Man konnte sehen, wo das Messer
seine Haut durchstoßen hatte, und der Bereich um seine Wunde war
blutverschmiert und gerötet. Es musste sich um eine alte Verletzung handeln,
also suchte ich seinen Rücken nach weiteren Wunden ab. Es gab keine. Erstaunt
ging ich um ihn herum, blickte ihm in die Augen und fragte sanft: "Was
bist du?"
    Er hielt Augenkontakt mit mir, aber antwortete nicht, sondern streichelte mit
der Handfläche zärtlich über meine Wange. Ich schüttelte den Kopf, um mich ins
Hier und Jetzt zurückzuholen, und betrachtete die jammernd am Boden liegenden
Männer. Wären Sarah und ich alleine gewesen, hätten wir diesen Abend gewiss
nicht überlebt. Langsam realisierte ich, was passiert war, meine Knie gaben
nach und ich kauerte mit angezogenen Beinen am Boden. Einer der drei, keine
Ahnung welcher, hob mich hoch. Peinlich berührt von meiner mädchenhaften
Reaktion blickte ich mich um. Sarah zitterte am ganzen Körper und Alessandro
bemühte sich, sie zu beruhigen. Erst wenig später bemerkte ich, dass Michael
mit sanfter Stimme auf mich einsprach. "Du brauchst keine Angst zu haben,
wir sind in Sicherheit."
    Meine Stimme klang weit entfernt, als ich antwortete: "Ich weiß, ich habe
keine Angst."
    "Aha, warum schaust du so besorgt? Wir sind sicher."
    Ich deutete mit einer Kopfbewegung auf die Skinheads vor uns. "Ich habe
mich nur gerade gefragt, wie wir das der Polizei erklären sollen."
    "Mach dir deshalb keine Sorgen!"
    Als wäre er es gewöhnt, Befehle zu erteilen, wandte er sich Alessandro zu und
kommandierte: "Alessandro, geh mit den Mädchen voraus. Wir erledigen den
Rest. Philippe, du weißt, was zu tun ist."
    Alessandro hatte kein Problem damit, eine Anweisung von Michael zu befolgen. Ganz
im Gegenteil, er nickte ihm ernst zu und führte uns vom Schauplatz des kleinen
Dramas.
    Plötzlich kam mir eine Eingebung: "Werden sie die Männer töten?"
    Ich hatte gesprochen, ohne zu denken. Als die Worte meinen Mund verließen,
wurde mir bewusst, wie gefährlich und hoffentlich auch absurd diese Frage war.
Sie würden doch niemanden töten - oder?
    Alessandro überlegte kurz und bewegte stumm die Lippen,
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