Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tensegrity. Die magischen Bewegungen der Zauberer

Tensegrity. Die magischen Bewegungen der Zauberer

Titel: Tensegrity. Die magischen Bewegungen der Zauberer
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
Sie stellten auch fest, daß der Montagepunkt bei allen Menschen an der gleichen Stelle zu finden ist und so jedem Menschen eine ganz ähnliche Sicht der Welt vermittelt.
    Eine Entdeckung von höchstem Wert für sie und für die Schamanen nachfolgender Generationen war, daß Gewohnheit und Sozialisierung für die Position des Montagepunktes verantwortlich sind. Aus diesem Grund hielten sie diese Stelle für willkürlich, denn sie vermittelt lediglich die Illusion, endgültig und irreduzibel zu sein. Eine Folge dieser Illusion ist die anscheinend unerschütterliche Überzeugung der Menschen, daß die Welt, mit der sie es täglich zu tun haben, die einzig existierende Welt sei und daß es keinen Zweifel an ihrer Finalität geben könne. »Glaube mir«, sagte Don Juan einmal, »das Gefühl der Finalität der Welt ist reine Illusion. Aufgrund der Tatsache, daß es nie in Frage gestellt wurde, erscheint es als die einzig mögliche Sicht. Das Sehen der Energie, wie sie im Universum fließt, ist das geeignete Mittel, um die scheinbare Finalität in Frage zu stellen. Mit Hilfe dieser Methode kamen die Zauberer meiner Tradition zu dem Schluß, daß es tatsächlich eine schwindelerregende Zahl von Welten gibt, die der Wahrnehmung des Menschen zugänglich sind. Sie beschrieben diese Welten als allumfassende Reiche - Reiche, in denen man handeln und kämpfen kann. Mit anderen Worten, es sind Welten, wo man leben und sterben kann, genau wie in dieser Welt des alltäglichen Lebens.«
    In den dreizehn Jahren meiner Verbindung mit Don Juan lehrte er mich die grundlegenden Schritte, um das Kunststück des Sehens zu vollbringen. Ich habe in all meinen früheren Schriften darüber berichtet, aber den Schlüssel für diesen Prozeß noch nie erwähnt - die magischen Bewegungen. Ich lernte von ihm eine große Zahl dieser Bewegungen. Außer diesem Wissensschatz vermittelte mir Don Juan auch die Gewißheit, daß ich das letzte Glied in der Kette seiner Tradition sei. Ich akzeptierte das, doch damit stellte sich für mich ganz selbstverständlich die Aufgabe, neue Wege zur Verbreitung des Wissens dieser Tradition zu finden, da deren Fortführung nicht mehr zur Debatte stand.
    Ich muß in diesem Zusammenhang einen sehr wichtigen Punkt klären. Don Juan Matus war niemals daran interessiert, sein Wissen zu lehren. Es ging ihm um die Fortsetzung seiner Tradition. Seine drei anderen Schüler und ich seien die Mittler - vom Geist selbst erwählt, wie er sagte, denn er habe nicht aktiv an der Auswahl mitgewirkt -, die den Fortbestand der Tradition sichern würden. Darum unterzog er sich der gewaltigen Anstrengung, mich alles zu lehren, was er über Zauberei, Schamanismus und die Entwicklung seiner Schule wußte.
    Im Verlauf meiner Ausbildung erkannte er, daß sich meine Energie-Konfiguration, wie er sagte, so weit von der seinen unterschied, daß dies nichts anderes bedeuten könne als das Ende seiner Tradition. Ich erklärte, daß mir seine Interpretation irgendwelcher unsichtbarer Unterschiede zwischen uns äußerst unangenehm sei. Ich wollte die Last nicht auf mich nehmen, der Letzte seiner Tradition zu sein, und ich verstand auch seine Begründung nicht.
    »Die Zauberer des alten Mexiko glaubten«, sagte er mir eines Tages, »daß die Entscheidungsfreiheit, wie der Mensch sie versteht, zwar die Prämisse der kognitiven Welt der Menschen ist, daß sie aber nur eine wohlwollende Interpretation dessen ist, was wir entdecken, wenn sich das Bewußtsein über die gepolsterte Sicherheit unserer Welt hinauswagt - eine wohlwollende Interpretation des Sichabfindens. Die Menschen befinden sich im Bann von Mächten, die sie nach Belieben lenken. Die Kunst der Zauberer besteht darin, sich nicht wirklich für oder gegen etwas zu entscheiden, sondern sich klugerweise zu fügen. Obwohl die Zauberer scheinbar nichts anderes tun, als Entscheidungen zu treffen, treffen sie in Wirklichkeit überhaupt keine Entscheidungen«, fuhr er fort. »Ich habe mich nicht dafür entschieden, dich zu wählen, und ich habe nicht entschieden, daß du so sein solltest. wie du bist. Da ich nicht wählen konnte, wem ich mein Wissen überliefern würde, mußte ich denjenigen akzeptieren, den mir der Geist anbot. Der Betreffende warst du. Und du bist energetisch nur fähig zu beenden, nicht aber, etwas fortzusetzen.«
    Er behauptete, daß das Ende seiner Tradition nichts mit ihm selbst oder seinen Bemühungen zu tun habe oder mit seinem Erfolg oder Scheitern als Zauberer auf der Suche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher