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Tensegrity. Die magischen Bewegungen der Zauberer

Tensegrity. Die magischen Bewegungen der Zauberer

Titel: Tensegrity. Die magischen Bewegungen der Zauberer
Autoren: Carlos Castaneda
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Tradition gehe auf den Einfluß der beiden Naguals zurück, die seine Vorgänger waren.
    Menge, deren Vermehrung oder Verminderung nicht dem Einfluß äußerer Kräfte unterliegt. Sie glaubten, dieses Maß an Energie genüge, um etwas zu erreichen, was sie für die Obsession eines jeden Menschen auf Erden hielten: die Parameter der normalen Wahrnehmung zu durchbrechen. Don Juan Matus war davon überzeugt, daß die Kultur und das soziale Milieu verantwortlich für unsere Unfähigkeit seien, diese Parameter zu durchbrechen. Er behauptete, unsere Kultur und unser soziales Milieu setzten unsere angeborene Energie einzig und allein zu dem Zweck ein, etablierte Verhaltensmuster zu erfüllen, die es uns nicht erlaubten, jene Parameter der normalen Wahrnehmung zu durchbrechen.
    »Aber warum, Don Juan, sollte ich oder sonst jemand diese Parameter durchbrechen wollen?« fragte ich ihn einmal. »Das Durchbrechen dieser Parameter ist für die Menschheit unvermeidlich«, erwiderte er. »Wer sie durchbricht, gelangt in unvorstellbare Welten, deren praktischer Wert sich in keiner Weise vom Wert unserer alltäglichen Welt unterscheidet. Unabhängig davon, ob wir diese Prämisse akzeptieren oder nicht, sind wir stets von der Idee besessen, jene Parameter zu durchbrechen. Aber wir scheitern jämmerlich daran. Deshalb sind Drogen und Aufputschmittel, religiöse Riten und Zeremonien in der heutigen Menschheit so weit verbreitet.«
    »Wieso glaubst du, Don Juan, daß wir so jämmerlich scheitern?« fragte ich.
    »Wir scheitern an der Erfüllung unseres unterschwelligen Wunsches«, sagte er, »weil wir die Aufgabe Hals über Kopf lösen wollen. Unsere Werkzeuge sind zu primitiv. Es ist, als versuchten wir eine Mauer niederzureißen, indem wir mit dem Kopf dagegen anrennen. Der Mensch erkennt nicht, daß dieser Durchbruch eine Frage der Energie ist. Zauberer messen den Erfolg nur daran, ob sich der Zugang zu Energie öffnet oder nicht.
    Da es unmöglich ist«, fuhr er fort, »unsere angeborene Energie zu vermehren, sahen die Zauberer im alten Mexiko keinen anderen Weg, als diese Energie umzuverteilen. Der Prozeß der Umverteilung begann für sie mit den magischen Bewegungen und mit der Art und Weise, wie diese Übungen den physischen Körper beeinflußten.«
    In seinen Unterweisungen betonte Don Juan mit allem Nachdruck, daß die Schamanen seiner Tradition bis auf den heutigen Tag größten Wert auf körperliche Tüchtigkeit und seelisches Wohlbefinden legten. Seine Aussagen bestätigten sich für mich jedesmal, wenn ich ihn und die fünfzehn Zauberer seiner Gruppe beobachtete. Ihr ausgezeichnetes körperliches und geistiges Gleichgewicht fiel am meisten ins Auge.
    Don Juans Antwort, als ich ihn einmal direkt fragte, warum die Zauberer so viel Wert auf die physische Seite des Menschen legten, war für mich eine große Überraschung. Ich hatte immer geglaubt, er sei ein spiritueller Mensch.
    »Die Zauberer sind nicht spirituell«, sagte er. »Sie sind sehr praktisch. Es ist jedoch allgemein bekannt, daß man die Schamanen für exzentrisch oder sogar für verrückt hält. Vielleicht hältst du sie deshalb für spirituell. Sie scheinen verrückt, weil sie immer Dinge zu erklären versuchen, die sich nicht erklären lassen. Im Verlauf der vergeblichen Versuche, umfassende Erklärungen zu geben, die unter keinen Umständen umfassend sein können, verlieren sie die Klarheit und äußern Ungereimtheiten.
    Man braucht einen geschmeidigen Körper, wenn man körperlich leistungsfähig und bei klarem Verstand sein will«, fuhr er fort. »Das sind die zwei wichtigsten Dinge im Leben der Schamanen, weil sie zu Nüchternheit und Pragmatismus führen - den einzigen unverzichtbaren Voraussetzungen, um in andere Welten der Wahrnehmung zu gelangen. Wer sich im Unbekannten wirklich zurechtfinden will, muß wagemutig sein, aber nicht tollkühn. Ein Zauberer muß äußerst besonnen, vorsichtig und geschickt sein und darüber hinaus eine hervorragende körperliche Kondition haben, um das Gleichgewicht zwischen Mut und Tollkühnheit zu finden.«
    »Aber warum eine hervorragende körperliche Kondition, Don Juan?« fragte ich. »Genügt nicht der Wunsch oder Wille, ins Unbekannte vorzustoßen?«
    »Nicht in deinem erbärmlichen Leben«, antwortete er ziemlich barsch. »Schon der Gedanke daran, dem Unbekannten entgegenzutreten, und erst recht, dorthin vorzustoßen, verlangt eiserne Nerven und einen Körper, der solchen Nerven gewachsen ist. Was nützen schon starke
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