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Tensegrity. Die magischen Bewegungen der Zauberer

Tensegrity. Die magischen Bewegungen der Zauberer

Titel: Tensegrity. Die magischen Bewegungen der Zauberer
Autoren: Carlos Castaneda
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verständliches Schema zu bringen. Sie stellten sich vor, daß diese Bewegungen im Zustand gesteigerten Bewußtseins spontan erfolgten und daß es eine Kraft gab, die die Wirkung der Bewegungen ohne Beteiligung ihres Willens steuerte.
    Don Juan erklärte, er habe die Zauberer alter Zeiten wegen ihrer Entdeckungen stets für außerordentliche Menschen gehalten, denn die Bewegungen, die sie gefunden hatten, würden modernen Schamanen, die sich ebenfalls in Zustände gesteigerten Bewußtseins begäben, niemals auf die gleiche Weise offenbart. Vielleicht liege es daran, sagte er, daß die modernen Schamanen diese Bewegungen bereits auf die eine oder andere Art von ihren Vorgängern gelernt hätten. Vielleicht hätten die Zauberer in alten Zeiten aber auch mehr energetische Masse besessen.
    »Was meinst du damit, Don Juan, sie hatten mehr energetische Masse?« fragte ich. »Waren diese Menschen größer?«
    »Ich glaube nicht, daß sie physisch größer waren«, antwortete er, »aber energetisch sah sie ein Schamane als längliche Gestalt. Sie selbst nannten sich leuchtende Eier. Ich habe in meinem Leben noch nie ein leuchtendes Ei gesehen. Alles, was ich gesehen habe, sind leuchtende Kugeln. Es ist also anzunehmen, daß der Mensch im Lauf der Generationen an energetischer Masse verloren hat.«
    Don Juan erklärte mir, daß das Universum für einen Seher aus einer unendlichen Zahl von Energiefeldern zusammengesetzt ist. Sie erscheinen seinem Auge als leuchtende Fasern, die sich in alle Richtungen erstrecken. Diese Fasern, sagte Don Juan, ziehen sich kreuz und quer durch die leuchtenden Kugeln, die wir Menschen sind. Man könne vernünftigerweise annehmen, daß die Menschen, wenn sie einst eine längliche, eiförmige Gestalt hatten, viel größer waren als eine Kugel. Energiefelder, die früher die Spitze der leuchtenden Eiform berührten, haben daher jetzt, da die Menschen leuchtende Kugeln sind, keinen Kontakt mehr mit ihnen. Für Don Juan bedeutete dies einen Verlust an energetischer Masse, die offenbar nötig gewesen war, um den verborgenen Schatz, die magischen Bewegungen, zu heben.
    »Warum, Don Juan, nennt man diese Übungen der alten Schamanen magische Bewegungen?« fragte ich ihn einmal. »Man nennt sie nicht nur magische Bewegungen, sie sind magisch! Sie haben eine Wirkung, die mit dem Verstand nicht zu erklären ist. Die Bewegungen sind keine körperlichen Übungen oder Körperhaltungen. Es sind ernsthafte Versuche, einen optimalen Daseinszustand zu erreichen.
    Die Magie der Bewegungen«, fuhr er fort, »liegt in einer subtilen Veränderung, die sich während der Übung einstellt. Das körperliche und seelische Befinden wird durch die Bewegung um eine ephemere Eigenschaft, so etwas wie ein Glanz, ein Leuchten in den Augen, bereichert. Die subtile Veränderung ist eine Berührung mit dem Geist. Es ist, als ob die Übenden durch die Bewegungen eine ungenutzte Verbindung mit der Kraft, die sie am Leben hält, wieder aktivieren.«
    Ein anderer Grund, in diesem Zusammenhang von magischen Bewegungen zu sprechen, fuhr er mit seiner Erklärung fort, sei die Tatsache, daß die Schamanen während der Ausübung wahrnehmungsmäßig in andere Seinszustände versetzt werden, in denen sie die Welt auf eine nicht beschreibbare Art und Weise erleben.
    »Wegen dieser Eigenschaft, wegen dieser Magie«, sagte Don Juan zu mir, »dürfen die Bewegungen nicht als körperliche Übungen ausgeführt werden, sondern als eine Methode, die Kraft zu beschwören.«
    »Aber kann man sie als körperliche Übungen benutzen, auch wenn sie nie als solche benutzt wurden?« fragte ich.
    »Man kann sie üben, wie man will«, antwortete Don Juan. »Die magischen Bewegungen steigern die Bewußtheit, ganz gleich, was man unter ihnen versteht. Es wäre vernünftig, sie als das zu nehmen, was sie sind, als magische Bewegungen, die den Übenden bei der Anwendung zwingen, die Maske der Sozialisation fallen zu lassen.«
    »Was ist die Maske der Sozialisation?« fragte ich.
    »Der äußere Firnis, den wir alle bis zum Tod verteidigen«, antwortete er. »Der Firnis, den wir uns in der Welt zulegen, der uns daran hindert, alle unsere Möglichkeiten zu verwirklichen, und uns glauben macht, wir wären unsterblich. Die magischen Bewegungen sind von der Intention vieler tausend Zauberer durchdrungen. Wenn man sie ausführt. und sei es auch unzeremoniell, bringen sie das Denken zum Stillstand.«
    »Was meinst du damit, sie bringen das Denken zum Stillstand?« fragte
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