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Teller, Janne

Teller, Janne

Titel: Teller, Janne
Autoren: Nichts
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die
Entscheidung, dass dieser Termin am achten April sein sollte, in genau vier und
einer halben Woche. Dann verließen die Museumsleute und ihre Rechtsanwälte Taering und mit ihnen die Zeitungen aus aller Welt,
darunter auch unsere eigenen überregionalen. Taering wurde wieder genauso, wie die Stadt immer gewesen war. Langweilig.
Langweiliger. Am langweiligsten.
     
    Es war
höchst sonderbar.
    Wir hatten
die Bedeutung gefunden und damit den Sinn des Ganzen. Alle möglichen Experten
hatten erklärt, wie großartig der Berg aus Bedeutung war. Ein amerikanisches
Museum wollte viele Millionen Dollar dafür bezahlen. Und trotzdem schien ihn
niemand mehr zu interessieren. Wir verstanden es nicht.
    Entweder war der Berg die Bedeutung, oder er war es nicht. Und da sich
alle darauf geeinigt hatten, dass er es war, konnte er doch nicht einfach
wieder aufhören, es zu sein. Oder doch?
    Wir gingen
weiterhin zur Schule und kehrten von dort zurück, aber keine einzige Kamera,
kein einziger Journalist begleitete uns. Wir zogen zum stillgelegten Sägewerk
hinaus. Der Berg aus Bedeutung glich sich selbst (es war ja nicht zu sehen,
dass Klein Emils Überreste aus dem rissigen Sarg genommen und in einen neuen
umgebettet worden waren, der beigesetzt wurde und nun genau wie der erste dort
lag und rissig wurde). Nichts war verändert, und dass der Berg kleiner wirkte,
konnte eine Sinnestäuschung sein. Oder?
    Eine Tatsache war jedoch, dass der Januar und der Ruhm und die
Bedeutung, die damit zusammenhingen, in der ersten Märzwoche mit einem Schlag
weg waren. Pierre Anthon amüsierte sich.
    »Bedeutung
ist Bedeutung. Wenn ihr also wirklich die Bedeutung gefunden habt, hättet ihr
sie noch immer. Und die Medien aus aller Welt wären noch immer hier, um
herauszufinden, was ihr da gefunden habt. Aber sie sind nicht mehr hier. Was
ihr also gefunden haben mögt, die Bedeutung war es nicht, denn die existiert
gar nicht !«
    Wir
versuchten so zu tun, als kümmerte uns das nicht, und taten wichtig und waren
wer und etwas. Anfangs gelang uns das so gut, dass wir es fast selbst glaubten.
Ein bisschen half, die vielen Zeitungsausschnitte noch einmal zu lesen und sich
die Fernsehinterviews aus unzähligen Ländern wieder anzusehen, die unsere
Eltern auf Video aufgenommen hatten. Aber nach und nach kam es uns vor, als
verblassten die Zeitungsausschnitte und als würden die Interviews zu
abgenutzten Komödien, und Pierre Anthon hatte ein immer
leichteres Spiel.
    Der
Zweifel erfasste einen nach dem anderen. Einer. Zwei. Fast alle.
    Das war
Verrat, und wir sprachen nicht darüber. Man konnte es nur daran sehen, wie das
Lächeln verschwand und von einer Maske abgelöst wurde, ähnlich der, wie sie die
Erwachsenen zeigen. Sie zeugte nur allzu deutlich davon, dass vielleicht doch
nicht so viel etwas zu bedeuten hatte.
     
    Sofie hielt als Einzige stand. Und schließlich war es nur noch ihr
blasses Gesicht und ihre brennenden Augen, die uns andere davon abhielten,
aufzugeben.
    Und Pierre Anthon recht zu geben.
     
    22
     
    Es war
Frühling, aber in diesem Jahr drang der Frühling nicht zu uns vor.
    Wir
sollten in die Achte versetzt werden, und schon bald mussten wir uns für neue
Schulen und neue Fächer entscheiden. Wie um alles in der Welt wir das tun
sollten, mit Pierre Anthon , der uns daran erinnerte,
dass nichts irgendetwas bedeutete - wir hatten keine
Ahnung. Wir würden bald in alle Winde verstreut sein und damit die Verbindung
zu der Bedeutung verlieren, die wir gefunden und wieder verloren hatten, ohne
genau zu wissen, wie das zugegangen war. Wie um uns zu versichern, dass es
wirklich noch nicht Frühling war, wartete der März noch einmal mit Winter auf.
Später Schnee fiel, schmolz, er kam wieder, und er schmolz wieder. Noch einmal
fiel Schnee und schmolz, dieses Mal schneller. Schneeglöckchen und Winterlinge versteckten sich, waren unter dem Weiß eingeschlossen
und erfroren, aber als die letzte Schicht endlich verschwand, schossen sie
hervor und kündeten zwischen den wenigen Grashalmen, die in Taering überwintert hatten, von Neuanfang und Frühling.
Wir in der 7 A sahen weder Neuanfang noch Frühling. Was hatte der Frühling zu
bedeuten, wenn es schon bald wieder Herbst und alles verwelkt sein würde, was
jetzt keimte? Wie sollten wir uns über die Buchen freuen, deren Blätter
ausschlugen, über die Stare, die nach Hause zurückkehrten, oder über die Sonne,
die jeden Tag etwas höher am Himmel stand? Das alles würde sich ja doch
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