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Darf ich Dir vertrauen

Darf ich Dir vertrauen

Titel: Darf ich Dir vertrauen
Autoren: Christine Flynn
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1. KAPITEL
    „Madison O’Malley, das hier ist das Netteste, was jemand in dieser Woche für mich getan hat.“ Der stämmige Bauarbeiter strahlte wie ein kleiner Junge, schob sich den Schutzhelm in den Nacken und nahm sich mit dem Finger etwas vom Zuckerguss auf dem Kuchen in seiner Hand. Die Flamme der Kerze, die mitten im lockeren Schokoladenteig steckte, tanzte im Wind. „Ich kann nicht glauben, dass Sie daran gedacht haben.“
    „Sie denkt doch an jeden Geburtstag“, sagte der schlaksige Schweißer neben ihm. „Auf meinem Kuchen waren sogar Streusel.“
    „Ach ja? Hat sie auch deinen Namen drauf geschrieben wie bei meinem liier?“ Der kleinere Mann zeigte mit dem Kinn dorthin, wo mit Zuckerguss Tiny geschrieben stand.
    „Sicher. Nicht wahr, Madison?“
    „Das habe ich, Jake.“ Madison lächelte, und das Funkeln in ihren braunen Augen verriet, wie gern sie ihren Kunden eine Freude bereitete. „Ich wusste nur nicht, ob Sie Schokolade oder Karotte lieber mögen. Wenn Sie es mir sagen, merke ich es mir für das nächste Jahr.“
    Tiny erwiderte, dass sein Kuchen genau richtig sei, und ging davon.
    Der Schweißer, den sie nur als Jake kannte, nahm sich einen in Folie gewickelten Muffin vom Verkaufswagen und reichte ihr einen Dollar.
    „Morgen, Madison.“ Ein anderer der etwa vierzig Kunden, die sich um den Wagen drängten, gab ihr einen Fünfer. „Ich nehme zwei, einmal Mohn, einmal Banane.“
    „Ich möchte einen Kaffee und ein Brötchen mit Schinken und Käse.“
    „Ich auch.“ Ein Arbeiter, den sie nicht kannte, nahm Jakes Platz ein und hielt ihr zwei FünfDollarScheine hin. „Für mich und Sid dort hinten.“ Madison warf einen Blick auf seinen Helm.
    „Danke, Buzz.“
    Der Neue lächelte erfreut, trat zurück und wurde von der Menge verschluckt, die keine Minute ihrer Frühstückspause verschenken wollte.
    „He, Madison! Haben Sie heute Karottenmuffins?“
    „Die macht sie nur dienstags und freitags“, antwortete jemand für sie. „Heute gibt’s Zucchini und Mohn.“ Eine andere schmutzige Hand tauchte mit Dollarscheinen zwischen den staubigen Jeans und Arbeitshemden auf. „Ich habe mir von jeder Sorte einen genommen.“
    Ein Maschinist mit Schmierfett an der Wange hielt einen Zehner hoch. „Für mich auch. Und Orangensaft.“
    Madison nahm die Scheine entgegen und holte das Wechselgeld aus der schwarzen Gürteltasche. Die Muff ins und Brötchen, die sie heute Morgen gebacken hatte, wurden schnell weniger, genau wie Saft, Milch und Kaffee.
    Die schmutzigen Hände der Männer störten sie nicht. Die meisten Arbeiter auf dieser Baustelle gehörten, genau wie die Schauerleute, die sie als Nächstes versorgen würde, zum Salz der Erde. Sie waren wie die Menschen des Viertels, in dem sie zur Welt gekommen war, noch immer lebte und vermutlich auch sterben würde. Manche kamen sogar von dort – aus Ridge, wie die Einheimischen Bayridge, Virginia, nannten. Sie gehörte zu ihnen, denn sie arbeitete hart.
    Tagaus, tagein. Sie konnte sich kein anderes Leben vorstellen.
    „He, Madison“, ertönte neben ihr eine tiefe, verlegene Stimme. „Was machen Sie heute Abend?“
    Sie lächelte dem strammen Arbeiter zu, der ihr diese Frage seit drei Wochen stellte. Eddie Zwickie war groß, süß und höchstens zwei Jahre jünger als sie mit achtundzwanzig. „Früh zu Bett gehen. Ich muss morgen früh einkaufen und den Wagen sauber machen, damit ich in der nächsten Woche wieder für euch da sein kann.“
    „Gehen Sie denn nie aus?“
    „Nicht mit meinen Kunden“, sagte sie freundlich. Sie ging mit niemandem aus.
    Dazu hatte sie gar keine Zeit. „Aber wissen Sie was?“ fragte sie. „Ich glaube, Sie würden sich gut mit Tina Deluca verstehen. Ich habe ihr von Ihnen erzählt. Sie ist Kindergärtnerin. Wollen Sie ihre Nummer?“
    „Kann sie kochen?“
    „Die Haferkekse, die Sie so gern essen, backe ich nach einem Rezept ihrer Mutter.“
    „Ja, aber kann sie die auch backen?“
    Der Typ war schnell. „Sie lernt es.“
    Plötzlich verstummten alle Gespräche, und die Menge teilte sich.
    „Morgen, Mr. Callaway“, sagte jemand.
    „Morgen, Sir.“
    „He, Mr. Callaway.“
    „Hi, Leute“, kam die herzliche Antwort.
    Madison erkannte den Neuankömmling sofort. Ihm gehörte das Unternehmen, das die riesige York Port Mall errichtete.
    Er war nicht allein.
    Der Mann neben ihm war genauso groß und eine noch eindrucksvollere Erscheinung. Sein Name war Cord Kendrick, und die Umstehenden musterten ihn
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