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0254 - Treffpunkt Leichenhaus

0254 - Treffpunkt Leichenhaus

Titel: 0254 - Treffpunkt Leichenhaus
Autoren: Jason Dark
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Es gibt Menschen, die lieben Tiere. Andere wiederum geben ein Vermögen für Briefmarken und Münzen aus. Wieder andere lieben es, sich groß herauszuputzen, und die Damen vorn ältesten Gewerbe der Welt schenken ihren zahlungskräftigen Kunden Liebe.
    Auf Charly Water traf dies alles nicht zu.
    Denn er liebte etwas ganz anderes. Leichen!
    Sie waren Charlys Hobby, denn mit ihnen konnte er sich wunderbar unterhalten. Vor allem widersprachen die Leichen nicht, und wenn Charly mit Whisky oder Brandy abgefüllt war, steigerte sich seine Beziehung zu den Leichen noch, da kümmerte er sich besonders um sie, wusch sie und zog sie sorgfältig an, bevor er sie in die Särge legte.
    Man ließ Charly die Marotte, denn man kannte ihn. Und wer arbeitete schon gern als Leichenwäscher und Einsarger? Auch in einer Zeit der Arbeitslosen fand man so leicht keinen, der diesen Job übernehmen wollte. Zudem war Charly Junggeselle und brauchte auf keinen Menschen Rücksicht zu nehmen. Ihm machten auch Überstunden nichts aus, denn die Leichen waren schließlich seine stummen Freunde.
    Allerdings hätte er sich geweigert, auf einem großen Friedhof zu arbeiten. Wenn er nur daran dachte, wurde es ihm schon übel. Diese Felder waren ihm zu unpersönlich. Er brauchte da nur an Brompton Cemetery zu denken, dieses gewaltige Gräberfeld nicht weit vom Western Hospital entfernt, wo die Kranken, wenn sie aus dem Fenster schauten, die Grabstätten sehen konnten. Nein, das war nichts für ihn. Er hatte ihn zweimal besichtigt, war durch die langen Reihen gegangen und hatte regelrecht Furcht bekommen. Dieser Friedhof erinnerte ihn schon mehr an einen Bahnhof, soviel Betrieb herrschte.
    Natürlich nur im Vergleich zu dem, wo er arbeitete.
    Sein kleiner Friedhof in Paddington war direkt anheimelnd, ebenso wie das Leichenhaus, seine eigentliche Arbeitsstätte, wo er die meisten Stunden des Tages verbrachte.
    Er wohnte nicht weit entfernt. Zu Fuß brauchte er knapp fünf Minuten, um seine Arbeitsstelle zu erreichen, wobei seine Wohnung ebenfalls Ähnlichkeit mit dem Leichenhaus aufwies, denn sie war düster und lag zudem halb im Keller.
    Charly ging es gut. Er war ein zufriedener Mensch. Seinen Lohn bekam er pünktlich überwiesen, zum Leben brauchte er nicht viel, und um die flüssige Nahrung zu kaufen, dazu reichte das Geld allemal. Er konnte sogar noch etwas zurücklegen, denn hin und wieder schickte er seiner Tochter ein paar Pfund. Sie zählte er zu seinen Jugendsünden. Die Mutter hatte nie heiraten wollen und war schließlich mit einem Zigeuner auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
    Charly hatte ihr damals keine Träne nachgeweint, er tat es auch später nicht.
    An diesem Abend war er wieder unterwegs. Aus seiner Wohnung hatte er sich nur Nachschub geholt. Die Flasche steckte in der Manteltasche und schaute mit dem Hals hervor. Er wollte noch einmal zurück zum Leichenhaus, um einen Toten zu präparieren, der am nächsten Tag beerdigt werden sollte. Am Nachmittag hatte man ihn eingeliefert. Woran er gestorben war, wußte Charly nicht, was ihn sehr ärgerte, denn normalerweise hatte er die Todesursache immer sofort erkennen können. Er war darin sicher wie ein Arzt.
    Wer Charly Water so sah, stufte ihn als einen gemütlichen Typ ein. Er besaß einen rollenden Gang, immer leicht schwankend, als würde er ständig unter Strom stehen, was nicht stimmte, denn mindestens die Hälfte der Woche war er nüchtern. Sein Gesicht war rund, auf der Oberlippe wuchs ein Schnauzer, die leicht angerötete Nase ähnelte entfernt einer Kartoffel, und das graue Haar wuchs wirr auf seinem Kopf. Es fiel ihm oft in die Stirn, wobei es dann die ebenfalls grauen Brauen berührte, unter denen die kleinen Säuferaugen listig funkelten.
    Den Kragen seines Mantels hatte Charly hochgestellt. Er wollte sich vor dem Wind schützen, der unangenehm kalt blies, denn es herrschten leichte Minus-Temperaturen.
    Eine Straße mußte er überqueren. Es war die Delaware Road, und obwohl sie befahren war, schaute Charly nicht nach rechts und links.
    Er setzte seinen Fuß vom Gehsteig auf die Fahrbahn, winkte mit einer Hand und schaute in das grelle Licht eines Scheinwerferpaars.
    Der Fahrer mußte bremsen, er streckte seinen Kopf aus dem Fenster und schimpfte.
    Charly lachte nur. Dann hatte er die Straße überquert, holte die Fasche hervor und nahm einen Schluck. Sollten sie ihn doch alle mal kreuzweise…
    »Ja, ja«, murmelte er.
    »Das Leben ist wie eine Klobrille. Man macht viel
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