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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Kairos feierten die Geburt des jungen Prinzen durch Lustbarkeiten, die vierzig Tage lang dauerten, denn niemals war ein Sultan von Ägypten von seinen Untertanen so sehr geliebt worden wie Malik al-Nasir. Freilich rechtfertigte er diese Liebe auch durch die Sorgfalt, mit der er ihnen seine Herrschaft angenehm und leicht zu machen suchte. Die Stadt Kairo wurde trotz ihrer großen Ausdehnung so trefflich verwaltet, der Wachthauptmann und die Würdenträger, die mit Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe betraut waren, sorgten so gut dafür, daß sich nicht die geringste Störung ereignete, ohne daß sie benachrichtigt wurden; und der Sultan selber ging, um sich von dem trefflichen Dienst seiner Wachtmeister zu überzeugen, von Zeit zu Zeit mit seinem Großwesir und einigen seiner Hauptleute nachts durch die Straßen der Stadt.
    Nun vernahm er eines Nachts, als er an einem großen Hause vorüberkam, das Schreien und Klagen eines Weibes, das offenbar mißhandelt wurde. Er ließ also einen seiner Hauptleute am Tore pochen, und der befahl im Namen des Sultans, daß ihnen aufgetan würde. Der König trat mit seinem Wesir und den andern Leuten seines Geleites ein, und nun vernahmen sie das Schreien deutlicher; und als sie der Richtung folgten, aus der diese Schreie zu kommen schienen, gelangten sie in einen Saal des Erdgeschosses, wo sie zu ihrem Grauen und ihrer Überraschung ein blutüberströmtes, nacktes Weib erblickten, das zwei Sklaven unerbittlich mit Ruten peitschten, und zwar vor einem Jüngling, der sich an diesem grausamen Schauspiel zu erfreuen schien. Beim Anblick des Sultans ließen die Sklaven auf der Stelle ab, ihr Opfer zu foltern, und trotz seines Zustandes erkannte der König in diesem Opfer das Weib, dem er sich zu Bagdad vermählt hatte. Er ließ sich jedoch nichts davon merken und fragte, weshalb dieses Weib also mißhandelt würde. Da aber der Jüngling inzwischen von seinen Leuten erfahren hatte, daß der Sultan von Ägypten zu ihm spräche, küßte er vor ihm den Boden und sprach zu ihm: »O mein Herr, ich bin der Gatte der Unseligen, die du vor dir siehst. Wenn du wüßtest, weshalb ich mich über sie beklage, so zweifle ich nicht daran, daß deine Hoheit mein Verhalten billigen würde.« »Nenne mir die Gründe,« erwiderte der Sultan, »so werde ich selbst darüber urteilen können.«
    »O mein Herr,« erwiderte der Jüngling, »ich bin der Neffe des Königs von Bassorah, und ich heiße der Prinz Guajas al-Din Mahmud. Ich lebte in einem Palast, der nur wenige Meilen von Bagdad entfernt ist und mir gehört. Ich verließ ihn eines Abends mit einem Teil meiner Diener, ummich mit dem Fischfang zu ergötzen, als ich diesem Weibe im Geleit eines Mannes begegnete, der aussah wie ein Sklave. Ich begrüßte sie und lud sie ein, sich bei mir auszuruhen. Sie willigte ein, und ich fragte sie, wer sie wäre und wohin sie wollte. Sie erwiderte, sie wäre die Tochter eines Würdenträgers des Sultans von Bagdad, und sie sei nachts aus dem Hause ihres Vaters entflohen, um sich dem Liebeswerben eines alten Beis zu entziehen, dem sie vermählt werden sollte. ›Ich habe die Absicht,‹ fügte sie hinzu, ›mich unter Führung dieses Sklaven, den ich mitgenommen habe, nach Bassorah zu begeben.‹ Und da sie mit Gold und Edelsteinen beladen war, so schenkte ich ihren Worten Glauben. ›O meine Herrin,‹ sprach ich, ›wenn du hierbleiben willst, so sollst du auch hier in Sicherheit sein.‹ ›Ich willige ein,‹ erwiderte sie, ›doch mußt du meinen Sklaven töten, auf daß ihn nicht die Lust ankomme, nach Bagdad zurückzukehren und den Ort meines Aufenthalts zu verraten.‹ Obwohl nun die Klugheit mir riet, das zu tun, was das Weib verlangte, konnte ich mich doch nicht dazu entschließen. Ich begnügte mich damit, daß ich Befehl gab, den Sklaven berauscht zu machen und ihm ein Pulver in seinen Wein zu schütten, also daß er entschliefe und sich, ohne zu erwachen, würde zum Schlosse hinaustragen lassen; ferner wies ich meine Diener an, wenn er sich an der Türe zeigen sollte, zu tun, als erkennten sie ihn nicht; und wenn es nötig sein sollte, so möchten sie ihn durch ein paar Schläge vertreiben. Und so geschah es. Der Sklave verschwand, und ich flößte dem Weibe den Glauben ein, daß man ihn in einen Abgrund geworfen hätte; für den Fall aber, daß der Sklave nach Bagdad gehen sollte, um den Eltern seiner Herrin zu sagen, daß sie in meinem Palaste wäre, brach ich wenige Tage später mit ihr auf und
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