Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Autoren: Anonymer Verfasser
Vom Netzwerk:
begab mich nach Bassorah.
    Wir lebten dort in aller Freude aneinander, als ich erfuhr, daß der Sultan von Bagdad aus Gründen, die niemand kannte, beschlossen hatte, den König von Bassorah zu entthronen und ihn mit allen Prinzen seines Blutes hinzurichten. Ich wurde gewarnt und nahm all meine kostbarste Habe und verließ Bassorah bei Nacht; und so bin ich mit diesem Weibe hierher gezogen. Nie hatte ich sie leidenschaftlicher geliebt, und ich dachte nur daran, ihr zu gefallen. Ja, um sie durch ein noch ehrenvolleres und festeres Band an mich zu fesseln, habe ich mich ihr sogar vermählt. Und dennoch hat die Undankbare heute zum Lohn für soviel Liebe einem meiner Diener den Vorschlag gemacht, mich zu ermorden; und wenn er es täte, so sei sie bereit, sich ihm hinzugeben und ihm zu folgen, wohin er sie führen würde. Dieser Diener aber ist mir treu ergeben, und er hat mir den grauenhaften Vorschlag nicht verheimlicht. Ich erbebte, als ich ihn angehört hatte, und um sie für ihre Tücke zu bestrafen, beschloß ich, sie täglich bis aufs Blut peitschen zu lassen.«
    »Nein,« sprach da der Sultan von Ägypten, ohne zu verraten, wie sehr er an alldem beteiligt war, »ein Geschöpf von so abscheulichem Wesen verlangt eine andre Strafe. Sie ist des Lebens unwert; sie ist ein Ungeheuer, von dem wir die Erde so bald wie möglich befreien müssen. Ich befehle, daß man sie auf der Stelle ertränke.« Und kaum hatte er diese Worte gesprochen, so ergriffen seine Wachen die Dame und stürzten sie in den Nil. So fand die Elende ihr Ende, und ihr Leichnam folgte dem Laufe des Flusses und wurde im Schilf bei einer volkreichen Stadt ans Land geschwemmt.Und da man die Leiche infolgedessen nicht sah, so verpestete sie allmählich die Luft und erzeugte schließlich einen Gestank, der die Pest in die Stadt trug, also daß dreißigtausend Bewohner starben.

Die Geschichte eines Sufis von Bagdad
    Unter der Regierung des berühmten Kalifen Harun al-Raschid lebte in Bagdad ein Sufi*, der den Genuß und das Wohlleben liebte; da aber die Almosen, die er von den Gläubigen erhielt, kaum genügten, sein nacktes Leben zu fristen, nahm er seine Zuflucht oft zu Listen, die ihm glückten.
    * Ein Mönch, dessen Glaube sich mit den Lehren der Gnostiker berührte.
    Unter anderm stellte er sich eines Tages vor dem Palaste des Kalifen ein, und als ein Pförtner ihn fragte, was er wollte, erwiderte er, er möge Harun al-Raschid sagen, daß er nicht vergessen dürfte, ihm an jenem Tage tausend Golddinare zu schicken. Der Pförtner lachte ob dieser Antwort, und da er den Sufi für einen Narren hielt, so sprach er in spöttischem Ton zu ihm: »O mein Bruder, ich werde mich dieses Auftrags pünktlich entledigen; doch ich bitte dich, sage mir, wo du wohnst, auf daß man dir die genannte Summe bringen könne.« Der Sufi also nannte ihm seine Wohnung und zog sich in ernster Würde zurück.
    Der Pförtner folgte ihm mit den Augen, bis er ihm aus dem Blick entschwand. Dann erzählte er einigen Dienern des Palastes von dem Vorfall, und alle lachten sehr darob und fanden, daß die Geschichte verdiente, auch dem Kalifen berichtet zu werden. Als nun der Beherrscher der Gläubigen diesen Bericht vernommen hatte, lachte er gleichfalls und gab seinen Würdenträgern Befehl, diesen Menschen aufzusuchen und zu ihm zu führen.
    Die Würdenträger fanden den Sufi an dem Ort, den er dem Pförtner des Palastes angegeben hatte; und als sie ihm sagten, daß der Kalif ihn zu sehen wünschte, begab er sich mit ihnen in den Palast, wo er kühn vor Harun al-Raschid hintrat. Der Kalif sprach zu ihm: »Wer bist du und weshalb soll ich dir tausend Golddinare geben?« »O Beherrscher der Gläubigen,« erwiderte der Sufi, »ich bin ein Unglücklicher, dem es an jeglicher Notdurft des Lebens mangelt. In letzter Nacht nun richtete ich, da mein Geist von meinem Elend verbittert und wider mein arges Schicksal empört war, diese Klage an Allah: ›O mein Gott,‹ sprach ich, ›woher kommt es, daß du mir alles versagst, während du den glücklichen Harun al-Raschid mit Gütern überhäufst? Was hat er getan, um solche Gunst zu verdienen? Und was habe ich getan, daß du mich so mit deinem Grimme verfolgst? Ich bin ein redlicher Mann, und er ist vielleicht so vielen Reichtums unwert.‹ Und während ich also klagte, vernahm ich eine Stimme vom Himmel, die zu mir sprach: ›Halt inne, Verwegener, halt inne. Wenn du wider dein Schicksal murrst, so nenne nicht Harun al-Raschid in deinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher