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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Autoren: Anonymer Verfasser
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lautermGolde voll herrlichen Weins. Sie setzten sich und boten mir den dritten Platz. Ein Sklave schenkte mir emsig zu trinken ein und versah sein Amt so eifrig, daß ich meinen Becher kaum je geleert hatte, ohne daß er ihn auf der Stelle wieder bis zum Rande füllte. Die Dünste des Weines stiegen mir zu Kopfe, und also schlief ich bald darauf ein.
    Als ich am folgenden Morgen erwachte, sah ich zu meinem größten Staunen, daß ich am Ufer des Teiches lag. ›Die Diener des Prinzen Mahmud werden mich hierher getragen haben,‹ sagte ich bei mir selber, ›um sich einen Scherz zu erlauben.‹ Damit erhob ich mich, ging zu dem Palast und pochte an die Tür. Ein Mann tat mir auf und fragte mich, was ich wollte; und ich erwiderte ihm: ›Ich komme, um die fremde Herrin zu sehen, die in diesem Palaste ist.‹ ›Hier ist keine Herrin‹, erwiderte er, indem er mir die Tür schroff vor der Nase zuschlug. Ich aber war mit dieser Antwort durchaus nicht zufrieden, sondern pochte zum zweitenmal. Da zeigte sich derselbe Mann und fragte wiederum: ›Was wünschest du?‹ ›Erkennst du mich nicht wieder?‹ fragte ich. ›Ich war im Geleit der schönen Herrin, die gestern hier eingezogen ist.‹ ›Ich habe dich noch nie gesehen‹, erwiderte der Mann; ›in diesen Palast ist keinerlei Herrin eingezogen, geh deines Weges und poche nicht noch einmal, wenn du es nicht bereuen willst.‹ Und mit diesen Worten schloß er die Tür abermals in großer Eile. ›Was soll ich von alldem halten?‹ fragte ich mich selber; ›schlafe ich noch? Nein, und sicherlich habe ich auch nicht geträumt, was gestern in diesem Palaste vorgegangen ist. Nichts kann wirklicher sein. Ach, ich errate, wie es zusammenhängt; die Diener des Prinzen, die mich in meinem Rausch auf das Ufer des Teiches getragen haben, wollen sich ergötzen, indem sie beobachten,wie ich die Dinge aufnehmen werde.‹ Ich pochte also zum drittenmal, und wiederum tat mir der Mann auf, der schon zweimal mit mir gesprochen hatte. Zugleich aber kamen noch drei oder vier andre Männer zum Tore heraus; die waren mit Stöcken bewaffnet, stürzten sich auf mich und versetzten mir so viel Schläge, daß ich bewußtlos am Boden liegen blieb.
    Als ich wieder zu mir kam, erhob ich mich, und als ich mir alles vor Augen hielt, was am Tage zuvor zwischen dem Prinzen und der Herrin geschehen war, sagte ich mir, daß sie sich meiner hätten entledigen wollen, und daß ich noch billig davongekommen wäre. Ich hub an, mich ob meines Unglücks zu beklagen, und stieß tausend Flüche gegen die Herrin aus; aber ich schwöre dir, daß mich die Not, in der ich mich befand, minder bekümmerte als der Schmerz und die Reue ob meines Verrats an meinem Gebieter. Von Gewissensbissen gequält verließ ich den verfluchten Palast, und ohne einer bestimmten Straße zu folgen, irrte ich von Stadt zu Stadt und kam auf diese Weise nach Kairo, das ich gestern abend erreichte.
    Als nun eben die Nacht hereinbrach und ich noch immer nicht wußte, wo ich unterkommen sollte, sah ich in einer abgelegenen Straße zwei Männer, die einen dritten ermordeten. Und dieser, der, wie man sagt, ein christlicher Kaufmann war, stieß ein lautes Geschrei aus, also daß die Mörder aus Furcht vor den Wachen in der Richtung auf mich zu die Flucht ergriffen; und eben kamen sie an mir vorüber, als auch schon die Wachen herbeieilten, und da sie glaubten, ich gehörte zu diesen Räubern, so warfen sie mich mit ihnen in den Kerker.
    Das, o mein Herr,« fügte der Sklave aus Bagdad hinzu, »ist alles, was ich deiner Hoheit berichten wollte. Ich binunschuldig an dem Morde, an dem man mir eine Mitschuld zur Last legt; doch ich verdiene den Tod, weil ich es über mich gewann, meinen Gebieter zu verraten und mich auf die treulosen Worte eines Weibes zu verlassen.«
    Als nun der Sultan Malik al-Nasir diesen Bericht vernommen hatte, ließ er den Sklaven in Freiheit setzen. »Geh,« sagte er, »ich begnadige dich, weil du bereust, daß du deine Pflicht verletzt hast; ein andermal hüte dich besser vor den Verführungskünsten deiner Gebieterinnen und laß es dir nicht wieder einfallen, sie entführen zu wollen. Denn solcherlei Entführungen werden dir nicht gelingen.« Und da der König auf diese Weise über die Tücke seines Weibes volle Aufklärung erhalten hatte, dankte er Gott dafür, daß er von ihr befreit war. Er vermählte sich einer Prinzessin von großer Schönheit, die ihm nach zehn Monaten der Ehe einen Sohn gebar. Alle Bewohner
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