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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Autoren: Anonymer Verfasser
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außerordentlich fest schlafen.« Und schließlich pochte er so sehr, daß er die Tür einschlug. Da eilte er hinein und stieg in das Gemach seines Weibes hinauf; doch fand er sie zu seinem höchsten Staunen nicht darin. Und seine Überraschung stieg noch, als er erkannte, daß er in seinem ganzen Haus vergeblich suchte, denn er fand keinen einzigen seiner Sklaven und Diener. Er wußte nicht, was er davon halten sollte, als er in das Gemach seines Weibes zurückkehrte und gewahrte, daß auch die Schatullen, in denen Gold und Edelsteine lagen, verschwunden waren. So verbrachte er denn die Nacht in den traurigsten Gedanken.
    Am folgenden Morgen erkundigte er sich in der Nachbarschaft, ob man nicht am Tage zuvor, während er sich in der Stadt vergnügte, bemerkt hätte, daß in seinem Hause etwas Außergewöhnliches vorginge. All seine Nachbarn verneinten diese Frage, und er konnte von ihnen keinerlei Aufklärung über dieses unheimliche Abenteuer erhalten. Er stellte alle nötigen Nachforschungen an, doch ohne irgend etwas zu erfahren. Zu allem Unglück aber kam der Kadi auch noch auf den Gedanken, Malik al-Nasir möchte vielleicht sein Weib gar getötet haben und stelle sich nur, als bereitete ihm ihr Verschwinden so viel Schmerz, um jedenArgwohn des Mordes von sich abzuwehren; er ließ den Prinzen also ergreifen, und trotz seiner Unschuld mußte der Jüngling froh sein, sich mit dem Opfer all seiner Habe aus dieser Angelegenheit herauszuziehen.
    So war denn nun der Prinz Malik al-Nasir von neuem in eben der Lage, in der er gewesen war, als er sich dem Weibe des Abu Nowas vermählte. Er kehrte zu seinem Schneidermeister zurück und nahm das Gewerbe der Nadel wieder auf. Doch da es in seiner Natur lag, sich ob jeglichen Unglücks zu trösten, vergaß er sein jüngstes Mißgeschick ebenso schnell wie das frühere. Und als er eines Tages im Laden seines Meisters an der Arbeit war, blieb plötzlich ein Vorübergehender stehen, sah ihn aufmerksam an und rief alsbald: »Ich irre mich nicht, das ist der Prinz Malik al-Nasir; er selber ist es, den ich mit Augen sehe.« Da sah auch der Prinz diesen Fremdling aufmerksam an und erkannte in ihm den Schneider aus Kairo, bei dem er seine Lehrjahre durchgemacht hatte; und er stand auf und ging ihm entgegen, um ihn zu umarmen. Aber der Schneider warf sich, statt ihm die Arme entgegenzustrecken und ihn an die Brust zu drücken, vor ihm nieder und küßte zwischen seinen Händen den Boden, indem er sprach: »O Prinz, ich bin deiner Umarmungen nicht würdig, zwischen dir und einem Menschen, wie ich es bin, liegt ein zu großer Abstand. Dein Schicksal hat sich gewandelt, und das Glück, das dir bislang so feindlich war, überschüttet dich jetzt mit seinen kostbarsten Gaben. Der Sultan Malik Aschraf ist tot, und sein Verscheiden hat im Lande Ägypten schwere Unruhen im Gefolge gehabt; die meisten der Großen wollten einen Prinzen deines Hauses auf den Thron erheben; ich aber reizte das ganze Volk zu deinen Gunsten wider sie aufund trat an der Spitze meiner Anhänger vor sie hin. ›Weshalb‹, sprach ich zu diesen Großen, ›wollt ihr die Krone demjenigen nehmen, der ihr rechtmäßiger Erbe ist? Der Prinz Malik al-Nasir muß unser Sultan werden; ihr wißt recht wohl, aus welchem Grunde er Ägypten verlassen hat; ihr wißt, daß er nur, um sein Leben vor der grausamen Klugheit seines Bruders zu retten, aus der Heimat entfliehen mußte. Ich bin Zeuge, daß er sich verkleidete und sich Pilgern anschloß, die nach Mekka zogen. Seit jener Zeit habe ich zwar nichts wieder von ihm vernommen, aber ich bin überzeugt, daß er noch lebt; Gott wird einen so tugendhaften Prinzen nicht zugrunde gehen lassen. Gebt mir zwei Jahre, damit ich ihn suche; und unterdessen vertraut die Leitung des Staates unsern weisen Wesiren an; und wenn mein Suchen kein Ergebnis hat, so könnt ihr immer noch den Prinzen zum Sultan erwählen, den ihr jetzt zu krönen wünscht.‹ Und als ich also gesprochen hatte,« fuhr er fort, »willigten die Großen ein, daß ich dich suchen sollte, zumal das ganze Volk mein Begehren mit seiner Stimme unterstützte. Sie gewährten mir eine Frist von zwei Jahren, um dich zu finden; und jetzt suche ich dich bereits seit einem Jahr von Stadt zu Stadt bei allen Schneidern der Welt; und ohne Zweifel hat mich endlich der Himmel hierher geleitet, da ich das Glück habe, dich zu finden. Auf, o mein Prinz, folge mir, ohne länger zu zögern, und zeige dich den Völkern, die deiner harren, um
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