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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Autoren: Anonymer Verfasser
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priesen und zugaben, daß es nach Schnitt und Arbeit ein wunderbares Meisterwerk wäre. Der Schneider aber freute sich in höchster Freude, dieweil er einen so geschickten Gehilfen hatte, und er gab ihm zwölf Nusfs täglichen Lohns. So hatte denn der Prinz genug, um in Bagdad ein angenehmes Leben zu führen.
    So nun stand es um ihn, als eines Tages der Gelehrte Abu Nowas, der von Natur heftigen Gemütes war, mit seinem Weibe einen Streit bekam und in seinem Zorne zu ihr sprach: »Geh, einmal, zweimal, dreimal, ich scheide mich von dir!« Kaum aber hatte er diese Worte ausgesprochen, so bereute er sie auch schon, denn er liebte sein Weib von ganzem Herzen. Er wollte sie in seinem Hause behalten und auch fernerhin wie bisher mit ihr zusammenleben; aber der Kadi widersetzte sich dem und sagte, zuvor müßte ein Hulla oder Zwischengatte den Beischlaf mit ihr ausüben, um sich dann von ihr zu scheiden; das heißt, es müßte zuvor ein andrer Gatte sich ihr vermählen und von ihr scheiden; dann dürfe der Gelehrte sich ihr von neuem vermählen, wenn er wollte. Da nun der Khwadschah sich gezwungen sah, sich den Gesetzen zu beugen, beschloß er, den Prinzen Malik al-Nasir zum Hulla zu nehmen. »Ich muß«, sprach er bei sich selber, »den Jüngling, den ich aus Mekka nach Bagdad mitgebracht habe, als Zwischengatten wählen; er ist ein Fremdling und ein gutmütiger Mann, und von ihmwerde ich alles erlangen, was ich wünsche. Er soll sich heute abend meinem Weibe vermählen, und morgen früh muß er sich von ihr scheiden.« Und als er zu diesem Entschluß gekommen war, ließ er den Prinzen zu sich rufen, schloß ihn mit seinem Weibe in einer Kammer ein und ging davon.
    Kaum aber hatte das Weib Malik al-Nasir gesehen, so verliebte es sich auch schon in ihn. Und auch der Prinz fand es schön und lieblich, also daß sie sich ihre Empfindungen offenbarten und nicht versäumten, sich all die gegenseitigen Zeichen der Neigung zu erweisen, die ihre Lage und der Ort ihnen nur erlauben mochten. Nach vielerlei Liebkosungen zeigte das Weib dem Prinzen ganze Kisten voller Gold und Silber und Edelsteine, indem es zu ihm sprach: »Weißt du auch, o Jüngling, daß all diese Reichtümer mir gehören? Dies ist die Mitgift, die ich dem Khwadschah eingebracht habe und die er mir zurückerstatten mußte, als er sich von mir schied. Wenn du morgen erklären willst, daß du mich als dein rechtmäßiges Weib zu behalten gedenkst, so wirst du über all diese Habe ebensosehr Herr sein wie über mich selber.« »O meine Herrin,« versetzte der Prinz, »kann mich der Gelehrte nicht zwingen, dich ihm zurückzugeben?« »Nein, wahrlich nicht,« erwiderte sie, »es steht ganz bei dir, ob du dich von mir scheiden willst oder nicht.« »Wenn es so steht,« sprach Malik al-Nasir, »so verspreche ich dir, dich zu behalten; du bist jung, schön und reich; ich könnte leicht eine schlechtere Wahl treffen. Laß den Gelehrten nur kommen, du wirst schon sehen, welchen Empfang ich ihm bereite.«
    Am folgenden Tage kam der Khwadschah in aller Frühe und öffnete die Tür. Und als er ins Zimmer trat, ging ihm der Prinz lachenden Antlitzes entgegen und sprach zu ihm:»O Gelehrter, wieviel Dank bin ich dir schuldig, dieweil du mir ein so liebliches Weib gegeben hast!« »O Jüngling,« versetzte der Khwadschah, »sieh sie an und sprich: »Geh, einmal, zweimal, dreimal, ich scheide mich von dir!« »Das sollte mir leid tun,« sprach Malik al-Nasir; »in meiner Heimat ist es ein großes Verbrechen, wenn man sich von seinem Weibe scheidet; es ist eine schmähliche Handlung, die man den Gatten unablässig zum Vorwurf macht, wenn sie feige genug sind, sie zu begehen. Da ich mich einmal dieser Dame vermählt habe, will ich sie auch behalten.« »Wie, o Jüngling?« rief der Gelehrte aus, »was bedeutet diese Rede? Machst du dich über mich lustig?« »Nein, o Gelehrter,« versetzte der Prinz, »ich spreche in vollem Ernst; das Weib gefällt mir, und offen gestanden, auch ich gefalle ihr besser als du, der du unter der Jahre Last gebeugt bist. Glaube mir, denke nicht mehr an sie; denn all deine Gedanken wären zwecklos.« »O Himmel!« rief der Gelehrte aus, »was für einen Hulla habe ich mir da in einem törichten Einfall gewählt! Wie leicht die Menschen doch andre falsch beurteilen! Ich hätte darauf geschworen, daß dieser junge Bursche tun würde, was ich wollte. Ach, lieber wollte ich noch, er hätte damals meinen Beutel behalten, als daß er mir mein Weib
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