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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Autoren: Anonymer Verfasser
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mit sich auf die Jagd nahm und einem Hirsche mit einem einzigen Pfeilschusse, den ich ihm zu tun vorgeschlagen hatte, einen Fuß mit dem Ohre zusammenheftete, daß er eines Wortes wegen, das ich unbesonnenerweise im Augenblicke über den Schuß äußerte, in einen plötzlichen und heftigen Zorn geriet. Er glaubte nämlich, durch meine allzu offenherzigen Worte wäre seine Ehre beleidigt, und befahl seinen Dienern, sie sollten mich sogleich entkleiden, mir die Hände auf den Rücken binden und mich in einen nahen Wald führen, wo mich nachts die wilden Tiere auffressen könnten. Als dies von den Dienern ausgeführt worden war, und sie mich entblößt und gebunden dem Belieben des Glückes überlassen hatten, beschloß ich, tief unglücklich und schmerzerfüllt aus Furcht vor dem Tode, der meiner auf jedem Wege wartete, zu wandern, wobei ich auf der Karawanenstraße anlangte. Hier kam nun bei Sonnenuntergang eine große Schar Kaufleute vorüber, die der Herberge zuzogen und mein klägliches Wimmern hörten. Unser Herr, der sich unter ihnen befand, ging meiner traurigen Stimme nach und stieß auf mich, und da er großes Mitleid mit mir hatte, nahm er mir die Bande ab, bekleidete mich mit seinen Gewändern und nahm mich mit sich in die Herberge, wo er mich nach meinem Namen, nach meinem Berufe und meinem großen Mißgeschick fragte; er konnte aber nichts weiter von mir hören, als daß mein Beruf die Musik wäre. Da ließ er sich nun vom Wirt eine Laute geben und legte sie mir in die Hand, und als ich sie schlug und das Spiel mit Gesang begleitete, verschaffte es ihm so große Freude, daß er mich an Tochter Statt annahm und mich überall mit hinführte und mir jeden Dienst, wie du siehst, leistete. Weil ich aber die glücklichen Umstände, in denen ich bei meinem Herrn lebte, nicht zu vergessen vermag, und ich auch die Liebe zu ihm noch heiß in mir fühle, so kann ich mich nicht enthalten, jedesmal, wenn ich die Laute zur Hand nehme, die mich zu so hohen Ehren gebracht hat und meinem Gebieter soviel Freude zu machen pflegte, viele inbrünstige und schmerzvolle Seufzer auszustoßen. Und ich bitte dich jetzt gar sehr, da ich dir ihren Grund erzählt habe, du wollest mir, wenn du es vermagst, ein Heilmittel dafür suchen!‹ Als die Jungfrau ihre Erzählung beendet hatte, konnte ich mich aus Mitgefühl mit dem großen Unglück, das ihr zugestoßen war, der Tränen nicht enthalten und versprach ihr, mit all meiner Macht ein Heilmittel für ihren großen Schmerz suchen zu wollen. Ich nahm mir vor, mittels der von ihr mir gegebenen Zeichen ihren Herrn zu suchen, um ihn wissen zu lassen: wiewohl er die Jungfrau zu einem so harten Tode verurteilt habe, brenne sie doch noch in heißer Liebe zu ihm. Ich beurlaubte mich von ihr und machte mich auf den Weg und kam nach Verlauf von acht Tagen in eine große und schöne Stadt, wo verkündet wurde, daß ein jeder, der in deiner Gegenwart eine schöne Geschichte erzählte, von dir mit vielen und reichen Geschenken bedacht werden sollte; da beschloß ich denn, vor dich hinzutreten und dir ein keinem andern, sondern mir zugestoßenes Ereignis zu offenbaren.«
    Und Behram-Gur vernahm diese Worte und sagte gleich bei sich selbst: »Ach, das ist wahrlich meine Dilirama!« Und als er von dem Geschichtenerzähler erfahren hatte, wo und in wessen Macht sie sich befand, schickte er verschiedene Boten an ihren Herrn aus und ließ ihm in seinem Namen einen großen Schatz anbieten, falls er die Jungfrau vor sein Antlitz brächte, weil er sie gar gerne hören möchte, da er sich an der Musik erfreue und der Ruf von ihrer großen Kunst bis zu seinen Ohren gekommen sei. Wie nun Behram-Gurs Boten zu dem Kaufmann gelangt waren, beschloß der – da es ihm viel mehr um die Huld eines so großen Herrn zu tun war, als um die großen Versprechungen, die man ihm in seinem Namen gemacht hatte –, in sein Land zu ziehen, und begab sich sogleich mit der Jungfrau auf den Weg. Und als er ihr die Ursache ihrer Reise verkündigte, merkte sie, daß sich ihr alter Diener auf das beste seines gegebenen Versprechens entledigt hatte, indem er ihrem Herrn Nachrichten von ihr gegeben hatte. Wie sie nun nicht lange Zeit hernach in der Hauptstadt angekommen waren, ließen sie sogleich Behram-Gur um ihre Ankunft wissen. Der kam aber, nur von einem einzigen Vornehmen begleitet, in das Haus, wo der Kaufmann mit Dilirama wohnte, sah sie und umarmte sie und konnte sich der Freudentränen nicht erwehren und wurde von einer
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