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Tatort Oktoberfest (German Edition)

Tatort Oktoberfest (German Edition)

Titel: Tatort Oktoberfest (German Edition)
Autoren: Barbara Ludwig
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Uhr reicht. Warten Sie, ich gebe Ihnen gleich Ihre Einladungskarte. Treffen wir uns unten an der Garderobe, jede volle Stunde?“
    „Na gut, Herr Heimstetten, hier sind Sie der Boss. Also bis morgen.“ Er zwinkert dem jungen Kollegen zu und wendet sich zum Gehen. Heimstetten drückt ihm die Schlüssel seiner Wohnung in die Hand und erklärt ihm noch mal genau, wie er zur Nadistraße kommt. Zum Schluss steckt er ihm eine Streifenkarte zu.
    Als der Commissario Richtung Marienplatz marschiert, fällt ihm Luigi ein. Ob Luigi noch bei der Brauerei arbeitet? Er wird ihn anrufen und fragen. Sicher erfährt er von Luigi mehr, als wenn er bei diesem blöden Bankett rumsteht. Aber natürlich will er Heimstetten seine Rolle nicht vermiesen, wird eine gute Miene aufsetzen. In Zukunft muss er etwas vorsichtiger sein mit dem, was er den jungen Kollegen im Unterricht erzählt.
    Siebziger Jahre Betongrau ragt in hohen Türmen um einen kleinen Platz. In Kübeln dekoriertes Grün vor einem Café und einem griechischen Restaurant, Caféhausstühle und Tische, Bücher vor einem Buchladen, hübsche Sachen an einem Ständer vor einem Geschäft, das Sachen aus aller Herren Länder feilbietet, all dies tupft Farbe in das Grau. Ludwig ist dafür blind. Sein Blick brennt ein Loch in den blank gefegten Boden des ebenfalls in der Runde liegenden Friseursalons. Verlegen tritt er von einem Bein auf das andere. Ihn ärgert, dass er auf den Vorschlag seiner Tante Julia einging und jetzt hier steht, begafft von einer Reihe Frauen. Aber ein Zurück gibt es nicht.
    Die Friseurmeisterin und seine Tante beugen sich über eine Postkarte, die den Kini in etwa seinem Alter zeigt. Die Salonbesitzerin nickt. „Ja, das können wir machen, die Haarlänge könnte hinkommen, ein paar Zentimeter weniger vielleicht?“ Eine der anderen Friseusen wandert um ihn herum, als wäre er aus Bronze und ein Standbild. Sie schließt sich dem Urteil ihrer Vorgesetzten an: „Ja, einen Zentimeter werden wir wegnehmen müssen. Schneiden Sie, Chefin, oder soll ich?“
    Wie ein Kleinkind behandeln sie ihn. Demütigend. Kann er sich nicht endlich setzen? Sollen sie endlich anfangen, ihn zu verschandeln. Aber nein, jetzt stellt Julia ihn überall auch noch als ihren Neffen vor, und ältliche Frauen, unter Hauben oder mit Alufolien im Haar, gaffen ihn an wie ein Tier im Zoo. Oberpeinlich. Er windet sich. Endlich haben sie ein Einsehen. Die Chefin des Salons zwinkert ihm zu. „Ich erlöse dich jetzt, komm mit.“ Sie packt seinen Arm und führt ihn in einen kleineren Nebenraum. „Hier, setz dich, dies ist die Herrenabteilung.“
    Zwei Männer sitzen vor den Spiegeln in Zeitschriften vertieft und nehmen keine Notiz. Ludwig atmet auf. Haarwäsche. Eine junge, türkische Friseuse lächelt und massiert gekonnt seinen Kopf. Er entspannt sich langsam. Danach beginnt die Chefin sein Haar zu schneiden. „Ich stamme auch aus Berlin“, erzählt sie im Plauderton, „seit ein paar Jahren wohne ich in München. Hast du mit deiner Tante schon den Fernsehturm besichtigt und …“ Wie ein Wasser über verschieden große Steine plätschert ihre muntere Stimme mal laut, mal leise und erläutert ihm, welche Sehenswürdigkeiten München bietet. Ihr Redefluss entbindet ihn von der Notwendigkeit, selbst etwas sagen zu müssen.
    Vorsichtig lugt er ab und an in den Spiegel. Noch wirken die nassen Haare normal. Er lehnt sich beruhigt zurück. Anders wird es, als sie beginnt, mit dem Fön und einem Lockenstab zu hantieren. Ihm wird ganz schummerig, und er vermeidet es, weitere Blicke auf sein sich veränderndes Abbild zu werfen. Besser er weiß nicht genau, was noch so alles mit seinen Haaren angestellt wird. Sein Blick streift den Platz draußen und die ihn umgebenden Hochhäuser. Gleich bei seiner Ankunft hatte er ausgerufen: „Voll krass, det is ja ’n richtiges Getto. Aber nich so viele Bemalung, wie bei uns überall“, und sich mit dieser Bemerkung einen Rüffel von seiner Tante eingeheimst. „Es ist eine Hochhausanlage, und hier wohnen sehr viele Menschen, stimmt. Doch wir achten halt auf unsere Nachbarschaft. Ein Getto, im übertragenen Sinn ein sozial desolates Viertel, kann dadurch nicht entstehen“, hat sie ihn verschnupft und schulmeisterlich zurechtgewiesen, so dass er seither lieber nichts mehr zu diesem Thema verlauten lässt. Dann eben kein Getto. Jetzt gilt es nur, diese Friseurquälerei schnell hinter sich zu bringen. Danach ist Abtauchen in dem Laden mit den Computern nebenan
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