Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana
Autoren: M Cruz Smith
Vom Netzwerk:
Außenbordmotor. Während Maxim es an den Kai zog, drückte Tatjana ihr Gesicht an das von Arkadi und flüsterte: »Sobald ich alles auf Kassette habe, komme ich euch nach.«
    »Bleib da. Es wird auch so verwirrend genug sein.«
    »Maxim verhält sich sehr seltsam.«
    »Was soll er schon machen? Er ist kein Killer, selbst wenn er das denkt.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Absolut.«
    Maxim zog an einer Schnur, und der Motor erwachte zum Leben. »Kommen Sie jetzt, oder was?«
    »Bin schon da.« Arkadi küsste Tatjana flüchtig auf die Wange, als bräche er zu einer abendlichen Spazierfahrt auf.
    Die Jolle war eine Blechwanne mit einem Außenbordmotor, der ratterte und Benzindämpfe ausspuckte. Bevor sie ablegten, beugte Maxim sich in das andere Boot und warf die Ruder ins Wasser. Arkadi sah ihre Umrisse davontreiben.
    »Warum haben Sie das getan?«, fragte er.
    »Damit niemand auf dumme Gedanken kommt. Ich bin jetzt der Kapitän.«
    Arkadi konnte nichts dagegen tun. Es war zu spät. Er hielt den Blick auf Tatjana gerichtet, bis sie im Abenddunst verschwamm.
    Der Hafen war eine andere Welt. Ein Spiegel seiner selbst. Eine dunkle Allee, die von der Durchfahrt größerer Schiffe widerhallte. In der Ferne die Lichter der Hafenkräne. Plan A sah vor, dass Arkadi und Maxim nicht länger als zwei Stunden suchen und sich dem Flottenstützpunkt nicht nähern würden. Eine Feder im Wind, die Art von Versprechen, die jeden der Verantwortung enthob.
    Maxim brauste dahin wie ein Mann, der das Kommando führt, eine Hand an der Ruderpinne. Die Luft war frostig. Arkadi schöpfte den angesammelten Regen einer ganzen Woche aus dem Boot, und das restliche Wasser schwappte von den Vibrationen des Motors hin und her.
    Sie fuhren ohne Beleuchtung, kein grünes Licht für Steuerbord, kein rotes für Backbord. Kein Gespräch, denn Stimmen wurden über offenes Wasser getragen. Motorengeräusch war zumindest etwas Mechanisches, obwohl es wenig Schiffsverkehr auf dem Fluss gab, nur die anschwellenden Geräusche der umgebenden Stadt, deren Lichter sich auf dem Wasser spiegelten.
    Arkadi dachte an Puschkin, der aufbrach, um die Ehre seiner koketten Frau zu verteidigen. Wie müde der Dichter gewesen sein musste. Mit ihrer Schwäche für pompöse Kostümbälle und das Leben bei Hof hatte Natalja Gontscharowa ihn fast in die Armut getrieben. Ihn gezwungen zu borgen. Sich minderwertige Gedichte für dubiose Ereignisse auszudenken. Zuzulassen, dass der Zar selbst den Dichter zum Hahnrei machte und vorgab, sein Mäzen zu sein. Und sich schließlich auf ein demütigendes Duell mit einem Glücksritter einzulassen. Als Puschkin die Silberknöpfe an der Weste seines Gegners sah, warum hatte er da nicht protestiert? War das unter seiner Würde, oder war er der Schönheit und deren Anforderungen nur einfach überdrüssig?
    Maxim hatte gesagt, am Hafen seien keine Wachleute nötig, und die Polizei ziehe es vor, in feuchten Nächten drinnen zu bleiben, doch Arkadi war sich nicht sicher, ob seine Pläne und die von Maxim die gleichen waren.
    Die Natalja Gontscharowa war ein Stück den Fluss hinunter in Richtung der Flotte verlegt worden. Ihre Umrisse durch Positionslaternen gekennzeichnet, lag sie wie eine Erscheinung im schwarzen Wasser. Während Maxim sie mit Viertelkraft umrundete, erwartete Arkadi, dass Alexi jeden Moment an Deck auftauchen würde.
    Doch im Inneren der Jacht blieb alles dunkel. Niemand zeigte sich auf der Brücke. Nichts war von einer Mannschaft zu hören, die auf ihre Positionen eilten. Maxim fuhr viermal um die Natalja Gontscharowa herum, bevor er aufgab. Niemand war an Bord.
    Maxim gab Vollgas und schwenkte das Boot aufs tiefere Wasser zu. Von Osten nach Westen wich die Stadt vor dem Fluss zurück, und die roten Warnlichter riesiger Kräne hoben sich vor dem Himmel ab. Als die Ufer weit genug entfernt waren, stellte Maxim den Motor ab und ließ die Jolle treiben. Ein friedlicher Augenblick, während das Wasser an die Bordwände schwappte und die Jolle im Kielwasser eines Schiffes schaukelte, das sie nicht einmal sehen konnten.
    »Genau, wie ich es mir gedacht habe«, sagte Maxim.
    »Was haben Sie sich gedacht?«, fragte Arkadi.
    »Es gibt kein Treffen.«
    »Ich bin selbst ein bisschen enttäuscht.«
    »Das ist nicht der Grund, warum wir gekommen sind.«
    »War da noch ein anderer Grund?«
    »Mich umzubringen.«
    Arkadi meinte, nicht richtig gehört zu haben. »Sie umzubringen?«
    »Mich mit einer fantastischen Geschichte hier rauszulocken,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher