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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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von Besuchen, wer ist findig genug, um andere auch mit Händen und Füßen zu verstehen? Ich unterbreite meinem Freund also einen Vorschlag. Roberto schaut gefühlte eineinhalb Sekunden lang auf die Liste, runzelt die Stirn und sagt schließlich: »Das geht nicht.«
    Wieder bin ich irritiert. Nein, ich bin sauer. »Warum lehnst du das sofort ab?«, frage ich. »Warum entscheidest du, wie wir es machen sollen? Habe ich denn gar nichts zu sagen?«
    Â»Natürlich hast du etwas zu sagen«, antwortet mein Freund erstaunt. Wie ich denn auf die Idee käme, dass dem nicht so sei. »Wir können gern darüber reden!«
    Â»Wie denn, wenn du es sowieso gleich ablehnst!«, gebe ich zurück.
    Und dann setzen wir nach und nach das Puzzle zusammen: In Spanien, so wird irgendwann klar, ist ein »No« erst einmal nur eine Meinungsäußerung. So in etwa, als würde ein Deutscher sagen »Ich sehe da ein paar Schwierigkeiten«. Ich dagegen habe sein »Nein« als unumstößlich aufgefasst, als Todesurteil für meine Ideen. Eine Spanierin hätte das vermutlich nicht einfach so hingenommen, sondern nach dem Grund für die Ablehnung gefragt – und dann hätte sich ein Gespräch entsponnen. Ich aber habe gar kein Gespräch zugelassen, weil ich mich so brüskiert fühlte. »No« bedeutet in meiner Übersetzung »Nein, basta«.
    Gelernt habe ich das schon in der Uni. Theoretisch jedenfalls. Signifikant und Signifikat sind die Begriffe, an die ich mich gerade noch so erinnere. Signifikant meint das zu Bezeichnende, die Aneinanderreihung von Buchstaben zu einem Wort, einem Lautbild – zum Beispiel das Wort »Baum«. Signifikat ist das, was wir mit dem Wort zu verbinden gelernt haben, der Inhalt, den wir einem Lautbild zuordnen. Und der kann für jeden Menschen höchst unterschiedlich sein. Bei dem Wort »Baum« sieht ein Europäer wahrscheinlich einen braunen Stamm und grüne Blätter vor dem inneren Auge, etwa eine Eiche. Ein Afrikaner aus einem trockenen Gebiet wird dagegen ein gedrungenes Gewächs mit dem Wort verbinden. Die Buchstabenfolge ist neutral – das, was wir damit meinen, aber höchst subjektiv.
    In Deutschland verwenden wir ein klares »Nein« vor allem dann, wenn wir uns einer Sache sehr sicher sind. Es ist ein Statement, ein abschließendes Urteil, dem einige Überlegungen vorausgegangen sind. Haben wir noch keine klare Meinung, fragen wir lieber erst mal nach. In Spanien bedeutet das nicht übermäßig laut, nicht besonders leidenschaftlich ausgesprochene »No« viel weniger. Es kann auch nur eine erste Meinungsäußerung sein, mehr nicht.
    Später einigen wir uns übrigens doch auf den Pachelbel-Kanon. Roberto hatte den Vorschlag nur deshalb von sich gewiesen, weil er selbst eine andere musikalische Idee gehabt hatte.
    Dass unser kleiner Streit in der Kommunikationstheorie bestens bekannt ist, erklärt mir Elisabeth Jupiter. Die österreichische Paartherapeutin berät viele internationale Paare und sagt: »Wenn er auf dem einen Kanal sendet, sie aber auf einem ganz anderen empfängt, dann kann das nicht funktionieren.« Dafür, so Jupiter, müsse man noch nicht einmal aus verschiedenen Kulturen kommen. Man stelle sich vor, ein Paar steht mit dem Auto an der Ampel, sie sitzt am Steuer, er auf dem Beifahrersitz. Dann sagt er: »Es ist grün.« Gemeint ist das aus seiner Sicht als Hinweis, als Hilfe, als einfache Feststellung. Sie aber denkt: Glaubt der, ich bin zu blöd, das selbst zu sehen? Muss er mich immer bevormunden?
    Reagiert sie dann über? Oder ist er zu unsensibel? Habe ich das Recht, von Roberto zu fordern, er solle seine Sätze mit einem diplomatischen »Ich denke …« beginnen? Muss er sich meiner Empfindlichkeit anpassen? Wessen Kommunikationsregeln sollen gelten – seine oder meine?
    Ich für meinen Fall bediene mich mittlerweile auch mal der Regeln meines Freundes: hebe die Stimme, wenn ich möchte, dass er den Ernst der Lage begreift. Oder weise ihn scharf in die Schranken. Einfach, weil ein lasches »Ich finde das jetzt nicht so gut« für ihn gar nichts bedeutet. Gemeint ist es von mir als deutliche Beschwerde. Soll aber bei ihm, dem Empfänger, tatsächlich ein deutliches Beschweren ankommen, dann muss ich auf dem gleichen Kanal senden, seine Regeln anwenden. Denn er interpretiert alles, was bei ihm ankommt,
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