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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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denn je, ein Auslandssemester in Rom einzulegen, ein Praktikum in Santiago de Chile zu absolvieren und während der Semesterferien Work and Travel in Australien zu machen. Billigflieger, kostenlose Internet-Telefonverbindungen via Skype und Webcams machen es uns leichter, Kontakt zu halten. In Großbritannien sind Paare wie wir sogar schon so normal geworden, dass sie in der Statistik gar nicht mehr getrennt erfasst werden. Und in Frankreich vergibt man bereits Spitznamen: arabisch-französische Paare heißen dort »Couscous-Pommes frites«, schwarz-weiße Paare »Dominos«. Die Globalisierung betrifft also nicht nur die Wirtschaft, die Finanzmärkte und die Politik. Sie hat definitiv auch die Liebe erreicht.
    Für internationale Paare potenzieren sich so diejenigen Fragen, die Beziehungen des 21. Jahrhunderts sowieso schon mit sich bringen: Wie viel will ich für den anderen aufgeben? Bin ich etwa bereit, meine Stelle zu kündigen und alles hinter mir zu lassen? Wie anpassungsfähig will ich sein? Kann ich mit den Marotten des anderen leben? Was ist Toleranz – und was Selbstverrat?
    Bei internationalen Beziehungen vergrößern sich diese Fragen: Da geht es dann nicht um einen Umzug von Stuttgart nach Hamburg, sondern von Johannisburg nach München. Da geht es darum, einen Job anzunehmen, für den man eigentlich überqualifiziert ist, nur weil der eigene Abschluss im anderen Land nicht akzeptiert wird. Und es geht manchmal darum, in einer völlig fremden Gesellschaftsform zu überleben.
    Plötzlich tauchen Fragen auf, über die sich die meisten vorher noch nie Gedanken gemacht haben: Wie löst man Konflikte in einer fremden Sprache? Welche Rolle dürfen religiöse Vorstellungen in der Beziehung und in der Kindererziehung spielen? Und was, wenn der andere kein Visum bekommt oder ein Behörden-Mitarbeiter vor der Tür steht, weil er eine Scheinehe vermutet?
    Das offensichtlichste, erste Problem, mit dem internationale Paare konfrontiert werden: Sie sprechen nicht die gleiche Sprache. Was sie aber zu diesem Zeitpunkt meist kaum ahnen: Es gilt nicht nur, Wörter zu übersetzen, sondern auch hinter diese Wörter zu schauen – und deren zweite, verborgene Bedeutung zu erlernen. Denn in Finnland freut oder ärgert man sich anders als in Griechenland. Und auch in Thailand werden Stimmungen und Gefühle anders ausgedrückt als etwa in den USA. Das Problem dabei: Jeder hält seine Gesten und seinen Tonfall für normal, für naturgegeben – und für eindeutig interpretierbar.
    Weihnachten ist relativ
    Es ist ein sommerlich-warmer Tag, als ich nach einem Interviewtermin durch die Kölner Fußgängerzone laufe. Mäßig interessiert schaue ich in die Schaufenster der immer gleichen Geschäfte. Da höre ich plötzlich Geigenmusik. Ich spiele selbst Geige, und wenn jemand in einer Fußgängerzone dieses Instrument einmal wirklich gekonnt einsetzt, dann muss ich zwangsläufig aufhorchen. Beim Näherkommen läuft mir ein Schauer über den Rücken: Die kleine Musikgruppe, die da zwischen Deichmann und Karstadt steht, spielt den berühmten Kanon von Johann Pachelbel. Der, der ganz leise beginnt und sich dann immer weiter zu einem furiosen Finale steigert, mit der sich stets wiederholenden, eingängigen Melodie. Ein echter Ohrwurm. Nun stehe ich vor den Musikern, muss den Kloß in meinem Hals herunterschlucken und weiß sofort: Das ist es. Das will ich auf meiner Hochzeit hören, während der Trauung. So sicher bin ich mir nicht einmal gewesen, als ich mein Brautkleid zum ersten Mal anhatte.
    Zurück zu Hause erzähle ich Roberto von meiner Idee, voller Begeisterung in der Stimme. Es gehe um etwas ganz Besonderes, schwärme ich: Ich will meine drei ehemaligen Geigenlehrerinnen, bei denen ich nacheinander an der Musikschule Unterricht gehabt hatte, um den Pachelbel-Kanon bitten. Sie sollen ihn gemeinsam spielen, wenn wir uns das Jawort geben. Roberto sieht mich an, runzelt die Stirn und sagt forsch auf Spanisch: »No.« Na wunderbar, denke ich, schön, dass wir darüber gesprochen haben. Irritiert mache ich mich an mein nächstes Projekt: die Sitzordnung an den Tischen. Bei einer spanisch-deutschen Hochzeit potenzieren sich die Herausforderungen: Wen von den Spaniern kann man mit Deutschen an einen Tisch setzen? Wer spricht englisch, wer von den Deutschen spanisch? Wer kennt sich von Reisen,
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