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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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das jetzt, das hat ihn tödlich verletzt. Stoisch packt er weiter seinen Koffer. Sonja entschuldigt sich, redet auf ihn ein, entschuldigt sich wieder. Und fragt sich gleichzeitig, wie man nur so übersensibel sein kann. Ein kurzer Wortwechsel, ein Türknallen – und schon wird die Beziehung infrage gestellt?
    Doch dann beginnt Manoj seinerseits, Fragen zu stellen. Was er getan habe, um eine so drastische Reaktion zu verdienen. Ob sie denn wirklich nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle, nur weil sie von seiner Besserwisserei genervt sei. Sonja beginnt zu begreifen. Sie lernt an diesem missglückten Kochabend mehr über Manoj, als in all den Wochen zuvor: In seiner Kultur, so wird nach und nach klar, bedeutet ein Türknallen so viel wie: »Ich will nicht mehr mit dir zusammen sein!« Wer Türen knallt, reicht nonverbal die Scheidung ein.
    Â»Wir mussten da beide sehr offen sein«, erzählte mir Sonja einige Jahre nach diesem ersten großen Krach. »Er musste verstehen, warum ich sein Kofferpacken nicht sofort einordnen konnte. Und ich musste einsehen, dass ich ihn aus seiner Sicht extrem unhöflich und hart behandelt hatte.« Manoj ist mittlerweile 45 Jahre alt, Sonja ist 33. Sie sind seit 13 Jahren zusammen, seit sechs Jahren auch verheiratet – und sie haben gelernt, dass Kommunikation nicht nur aus Sprache besteht. Kommunikation, dazu gehören auch kleinste Gesten, das kann ein Gesichtsausdruck sein oder ein bestimmter Tonfall.
    Paare wie Manoj und Sonja gibt es mittlerweile zuhauf. Historisch gesehen sind sie natürlich nichts Neues – Ländergrenzen und Kulturen standen Amor schließlich noch nie beim Abschießen seiner Pfeile im Weg. Frauen haben sich während des Krieges in Soldaten des Feindes verliebt, Entdecker in schöne Mädchen aus fernen Ländern, Gastarbeiter in die Töchter ihrer Chefs. Aber was früher die Ausnahme war, ist heute Bestandteil jeder gut sortierten Party. Nicoles früherer Mitbewohner etwa ist mit einer Südafrikanerin verheiratet, einer ihrer Bekannten in Kopenhagen bekommt demnächst ein Kind mit einer ostafrikanischen Prinzessin, und auch in meiner eigenen Familie hat die grenzüberschreitende Liebe zugeschlagen. Denn meine Großeltern haben neun Enkel – und davon sind vier in einer internationalen Beziehung. Mein großer Bruder liebt eine Chinesin, meine Cousine einen Mann aus dem Niger, ihre Schwester einen Tunesier – und dann bin da natürlich noch ich mit meinem Spanier.
    Wie funktionieren solche Beziehungen – und warum funktionieren sie manchmal auch nicht? Wie bändigt man einen wütenden Italiener, wie überlebt man den Behördenterror im Ausländeramt und wie fügt man sich in eine muslimische Großfamilie ein? Um solche Fragen und andere zu klären, haben Nicole und ich in den letzten Monaten eine Menge Paare getroffen, die in der gleichen Situation sind. Wir wissen jetzt: Es kann verdammt schwer sein, anders zu handeln als so, wie wir es für »ganz normal« halten – einfach, weil wir es schon immer so gemacht haben. Und oft ist es schwierig, überhaupt erst einmal zu benennen, was das eigentlich ist: »normal«. Schließlich ist so etwas in der eigenen Kultur nie notwendig. Weil der andere aber mit anderen Selbstverständlichkeiten groß geworden ist, fühlt er sich von unserem Verhalten oft auf den Schlips getreten – und zwar zu Recht, wie er findet. Dann denkt er: Wie kann die Freundin nur verlangen, dass er sie zu Verabredungen mit seinen Kumpels mitnimmt? Ein anderer fragt sich: Wieso beschämt die Ehefrau ihn so, indem sie sich mit einem anderen Mann allein in einem Raum aufhält? Und eine Dritte versteht nicht: Warum bezeichnet der Freund Rumschreien und Beleidigen als »ganz normales Diskutieren«?
    Den anderen zu begreifen, gleicht oft einem Puzzle, das man erst nach und nach zusammenlegen kann. »Lernen durch Erfahrung« nennt man so etwas wohl.
    Laut Statistischem Bundesamt betrifft das mittlerweile doppelt so viele Deutsche wie noch in den 90er-Jahren: 1,2 Millionen verheiratete internationale Paare soll es hierzulande im Jahr 2010 gegeben haben. Das machte zu diesem Zeitpunkt sieben Prozent aller Ehen aus. Nicht mitgezählt wurden dabei die vielen unverheirateten Paare, außerdem all diejenigen Deutschen, die für die Liebe ins Ausland gegangen sind.
    Für unsere Generation ist es selbstverständlicher
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