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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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es auch kulturelle Unterschiede zwischen ihnen gibt. Und dass ihre verschiedenen Muttersprachen zu einigen Problemen führen. Nicht nur in der Beziehung, auch im Alltag.
    Denn in diesen ersten Wochen und Monaten fühlt sich Sonja für vieles verantwortlich. Auch auf das Ausländeramt begleitet sie ihren Freund. »Dort sprach ja kein Mensch englisch«, erzählt Sonja, »und die Unterlagen für die Aufenthaltsgenehmigung waren alle auf Deutsch.«
    Elisabeth Jupiter sagt, dass genau dieses sprachliche Ungleichgewicht in ein Beziehungs-Ungleichgewicht münden könne. In vielen Fällen, so die Wiener Psychotherapeutin, erledigt der einheimische Partner alles für den anderen – weil der es ja nicht selbst kann. Besonders häufig betreffe das in ihrem Heimatland Österreich Frauen mit afrikanischen Partnern, sagt Jupiter. »Er ist hilflos, also kümmert sie sich. Anfangs ist er ihr noch dankbar. Aber dann wächst in ihm das Gefühl der Ohnmacht, wenn sich die Situation nicht ändert. Schließlich werden wegen seiner fehlenden Sprachkenntnisse viele Entscheidungen über seinen Kopf hinweg getroffen. Und was tut ein Mann, wenn er sich ohnmächtig und schwach fühlt? Er wird aggressiv. Die Frauen sind dann völlig ratlos, weil sie doch so viel für den anderen getan haben.«
    Auch bei Sonja und Manoj haben sich die Zuständigkeiten kaum verändert: Dass sie für das Formale zuständig ist, für Behörden und Versicherungen, das ist noch heute so. Manchmal nerve sie das, sagt Sonja. Aber würde nicht Manoj in seinem Land genau das Gleiche für sie tun?
    Weil Manoj immer noch nicht fließend Deutsch spricht, ist der vierjährige Sohn Leo ihm manchmal bereits sprachlich überlegen. Und auch Sonja hat nicht immer Lust auf englische Konversation. Das sind die Momente, in denen sie abgespannt von der Arbeit nach Hause kommt. Dann auf Englisch detailliert zu erzählen, was sie erlebt hat, das sei ihr manchmal zu viel, sagt sie. Denn es ist schwieriger, drauflos zu plaudern, wenn man nicht alle notwendigen Wörter kennt, wenn sich eine geeignete Sprachwendung nicht einfach so übersetzen lässt. Wenn man fünf Sätze braucht statt drei Worte, um ein Gefühl auszudrücken.
    Cómo, you have schon gegessen?
    Die ersten Spanischvokabeln habe ich schon in der neunten Klasse gelernt. Zwei Jahre lang beschäftigte ich mich fast jeden Tag im Unterricht mit den Beugungen spanischer Verben, dem Futur, dem Präteritum, der indirekten Rede. Dann aber verschwanden die Vokabeln und die Grammatik nach und nach in irgendeiner weit entfernten Ecke meines Gehirns, in einer Schublade, die ein paar Jahre später fest verschlossen schien. Als ich Roberto kennenlernte, war ich gerade noch in der Lage, mich auf Spanisch vorzustellen. Weil ich zu dieser Zeit versuchte, mein Schwedisch zur Alltagstauglichkeit auszubauen, blieb die Spanisch-Schublade geschlossen. Ich kam einfach nicht mehr an sie ran. Mein Kopf war voller schwedischer Vokabeln. Sollten die zwei Jahre Spanischunterricht umsonst gewesen sein?
    Dann reisten wir zum ersten Mal gemeinsam nach Spanien. Und ich musste plötzlich mit Freunden, Eltern und Verwandten kommunizieren. Oft fühlte ich mich wie amputiert, weil ich sagen wollte, dass Roberto einen Parkplatz suche, mir aber weder das Wort für »parken« noch das für »suchen« einfallen wollte. Robertos Familie und die meisten seiner Freunde sprechen kaum ein Wort Englisch, da halfen dann oft nur Hände und Füße. Echte Gespräche oder gar Diskussionen waren aber kaum möglich. Doch irgendwann öffnete sich die Schublade langsam wieder. Worte fielen mir wieder ein, Grammatikregeln, sogar Redewendungen. Eine einmal gelernte Sprache verschwindet nun mal nicht einfach so. Mittlerweile kann ich sogar fließend davon erzählen, wie wir vor sechs Jahren auf einer Reise nach Nordschweden bei minus 25 Grad drei Pullover übereinander trugen oder wie das war, als Roberto mir einen Heiratsantrag machte.
    Warum mir das so wichtig ist? Weil ich jetzt weiß, wie mein Freund in seiner eigenen Sprache tickt. Wie er lustige Situationen wiedergibt, wie die Sprachmelodie sich dann vom Englischen unterscheidet. Genauso notwendig finde ich, dass er mich in meiner Sprache versteht. Deshalb geht es manchmal bei uns zu wie beim Turmbau zu Babel. Manche Dinge sagen wir ausschließlich in einer der drei Sprachen, mit denen
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