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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann
Autoren: Haruki Murakami
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darum, Dinge systematisch zu erledigen, eins nach dem anderen. Manchmal fragte ich mich natürlich, ob ich mein Leben nicht damit verplemperte. Aber abgesehen davon, so lautete dann mein Fazit, hatte ich kein Recht, mich darüber aufzuregen, dass Papier und Tinte verschwendet wurden. Wir leben schließlich in einer hochkapitalistischen Gesellschaft. Verschwendung gilt hier als höchste Tugend. Politiker nennen es »Verfeinerung des einheimischen Konsums«. Ich hingegen nenne es sinnlose Verschwendung. Die Auffassungen unterscheiden sich eben. Doch trotz dieser Differenzen ist es nun einmal die Gesellschaft, in der wir leben. Wenn mir das nicht passt, kann ich ja auswandern, nach Bangladesch oder in den Sudan.
    Ich brannte nicht gerade darauf, in Bangladesch oder im Sudan zu leben.
    Also erledigte ich stillschweigend meine Arbeit.
    Inzwischen ging es nicht mehr nur um Werbetexte, sondern ich bekam auch Aufträge von Zeitschriften. Komischerweise meist von Frauenmagazinen. Ich führte Interviews, verfasste unbedeutende Reportagen. Verglichen mit der PR-Arbeit war das hier noch unbefriedigender. Die Art der Magazine brachte es mit sich, dass meine Interviewpartner meistens Leute aus dem Showbusiness waren. Egal was ich sie fragte, ich erhielt nur stereotype Antworten. Man wusste schon im Voraus, was kam. Im schlimmsten Fall bestand der Manager darauf, die Fragen vorgelegt zu bekommen. Also kam ich grundsätzlich mit einem geschriebenen Konzept. Als ich eine siebzehnjährige Sängerin etwas fragte, das nicht auf der Liste stand, schaltete sich der Manager sogleich entrüstet ein: »Das war nicht vereinbart, sie muss darauf nicht antworten.« Na toll. Das war ja richtig besorgniserregend. Ich fragte mich, ob das Mädchen ohne den Beistand ihres Managers wohl sagen durfte, welcher Monat auf Oktober folgt. Und so was nannte sich nun Interview. Ich tat jedenfalls mein Bestes. Für jedes Gespräch bereitete ich mich gründlich vor, sondierte Quellen und überlegte mir Fragen, die sonst niemand stellen würde. Ich gab mir Mühe, den Artikel geschickt aufzubauen. Nicht etwa, dass diese Anstrengungen besondere Beachtung fanden, ein Wort des Lobes hörte ich eigentlich nie. Ich legte mich einzig und allein so ins Zeug, um mir selbst eine Freude zu machen. Reine Selbstdisziplin. Um meine aus der Übung gekommenen Finger und meinen Kopf mit praktischen – und nach Möglichkeit harmlosen – Arbeiten zu trainieren.
    Soziale Rehabilitation.
    Ich war so beschäftigt wie nie zuvor im Leben. Nicht nur mit doppelten und dreifachen Mengen an regulärer Arbeit, sondern häufig auch mit Überraschungsaufträgen. Unfehlbar erreichten mich all die unbequemen Jobs, für die sich sonst niemand fand. Meine Rolle in dieser Gesellschaft ähnelte einem Schrottplatz am Rande der Stadt. Alles, was irgendwie Unannehmlichkeiten bereitete, wurde bei mir abgeladen. In tiefster Nacht, wenn alles fest schlief. So wiesen meine Bankkonten bald astronomische Summen auf, zumal ich keine Zeit hatte, das Geld auszugeben. Als ein Bekannter mir ein billiges Angebot machte, entledigte ich mich meiner alten Karre, die mir ohnehin nur Probleme bereitete, und kaufte seinen Subaru Leone, das vorletzte Modell. Er hatte nur wenige Kilometer auf dem Tacho, besaß eine Stereoanlage und Air-Conditioning. Das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen solchen Wagen fuhr. Außerdem nahm ich mir ein Apartment in Shibuya, näher zur Innenstadt. Es war ein bisschen laut – die Autobahn führte direkt an meinem Fenster vorbei –, aber man gewöhnte sich daran. Ansonsten war es ganz akzeptabel.
    Ich schlief mit ein paar Frauen, die ich über die Arbeit kennen gelernt hatte.
    Soziale Rehabilitation.
    Ich wusste genau, mit welchen Mädchen ich schlafen sollte. Auch, mit welchen ich schlafen konnte. Vielleicht sogar, welche ich unbedingt meiden sollte. Mit zunehmendem Alter entwickelte ich dafür einen Instinkt. Ich wusste auch, wann die Zeit reif war, Schluss zu machen. Sodass man im Guten auseinander ging. Ganz reibungslos. Niemand war gekränkt, auch ich nicht. Das Einzige, was mir dann fehlte, war das Herzflimmern.
    Die intensivste Beziehung hatte ich zu jener Frau, die beim Fernmeldeamt arbeitete. Ich hatte sie auf einer Silvesterparty kennen gelernt. Wir waren beide ziemlich beschwipst, flirteten miteinander, verstanden uns gut und landeten dann in meinem Apartment. Sie war intelligent und hatte tolle Beine. Mit meinem neuen Gebrauchtwagen machten wir allerlei Ausflüge.
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