Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
Bergen fuhr ich von der Autobahn runter und suchte ein geeignetes Wäldchen für das Begräbnis. In geraumem Abstand zur Straße buddelte ich ein Loch von einem Meter Tiefe, in dem ich die SEIBU-Papiertüte mit Sardine vergrub. Ich warf Erde auf das Grab. Tut mir leid, so läuft das nun einmal bei uns, verabschiedete ich mich von dem kleinen Kerl. Während ich ihn beerdigte, zwitscherten die ganze Zeit Vögelchen. Wie das obere Register eines Flötenkonzerts.
    Nachdem ich das Grab zugeschüttet hatte, warf ich die Schaufel in den Kofferraum und fuhr zurück auf die Autobahn. Ich dachte an nichts, lauschte nur der Musik. Rod Stewart … J. Geils-Band. Dann kündigte der DJ einen Oldie an: Born to lose von Ray Charles. Ein melancholischer Song: Born to lose … and now I’m losing you. Das Lied machte mich richtig traurig. Mir war zum Heulen zumute. Manchmal reicht eine Kleinigkeit, um einen an der empfindlichsten Stelle im Herzen zu treffen. Ich hielt an einer Raststätte und schaltete das Radio aus. Nachdem ich im Restaurant ein Gurkensandwich und Kaffee bestellt hatte, ging ich erst mal auf die Toilette, um mir den Dreck von den Händen zu waschen. Ich nahm nur einen lustlosen Bissen von dem Sandwich, trank jedoch zwei Tassen Kaffee.
    Was mochte der Kater wohl gerade in diesem Moment tun? Da unten im Dunkeln. Das Aufklatschen der Erde auf der Papiertüte hallte noch in meinem Kopf. Doch das ist der Gang der Dinge. Für mich nicht anders als für dich, Kumpel.
    Ich brachte etwa eine Stunde in dem Restaurant zu und starrte gedankenverloren auf mein Sandwich. Bis eine Kellnerin im violetten Dress kam und mich zaghaft fragte, ob sie abräumen könne.
    Na dann, dachte ich. Höchste Zeit für mich, ins wirkliche Leben zurückzukehren.

3
    Es bedarf keiner großen Anstrengung, um in dem riesigen Ameisenhaufen einer hochkapitalistischen Gesellschaft Arbeit zu finden. Sofern man nicht allzu anspruchsvoll ist.
    Als ich noch mein eigenes Büro besaß, war ich mit editorischer Arbeit beschäftigt, schrieb aber auch selbst allerhand. Dabei lernte ich einige Leute aus dieser Branche kennen. Als freischaffender Autor meinen Lebensunterhalt zu verdienen war nicht so schwierig. Ich war ohnehin ein bescheidener Mensch.
    Ich kramte mein Adressbuch hervor und telefonierte umher, um mich direkt nach Aufträgen zu erkundigen. Ich erzählte, dass ich aus bestimmten Gründen eine Weile pausiert hätte, jetzt aber wieder Arbeit annähme. Prompt bekam ich einige Angebote, wenn auch nicht besonders interessante. Meistens handelte es sich um Lückenfüller für PR-Magazine und Firmenbroschüren. Ganz vorsichtig ausgedrückt, war die Hälfte der von mir verfassten Manuskripte ohne Sinn und Zweck, wertloses Zeug, das niemandem etwas nützte. Die reinste Verschwendung von Papier und Tinte. Aber ich erledigte die Arbeit gewissenhaft, beinahe mechanisch, ohne nachzudenken. Zuerst war die Arbeitsbelastung geringfügig, nur ein paar Stunden am Tag. Anschließend schlenderte ich draußen herum oder sah mir einen Film an. Ich habe eine Menge Filme gesehen. In den ersten drei Monaten nahm ich das alles sehr gelassen hin. Ich war erleichtert, mich langsam wieder in der Gesellschaft eingefunden zu haben.
    Zu Anfang des Herbstes begann sich die Situation auf einmal zu ändern. Die Aufträge nahmen schlagartig zu. Das Telefon klingelte unentwegt, mein Briefkasten quoll über. Ich musste andauernd zu Besprechungen oder zu irgendwelchen Geschäftsessen. Man behandelte mich zuvorkommend und versprach mir noch mehr Arbeit.
    Das hatte einen einfachen Grund. Ich war nie sehr wählerisch bei dem, was ich tat. Ich war mit allem einverstanden, hielt meine Termine ein, beklagte mich nie, schrieb lesbar. Kurzum, ich war ein gewissenhafter Mensch. Wo andere Kollegen schluderten, leistete ich manierliche Arbeit. Ich verzog nie eine Miene, auch nicht, wenn das Honorar niedrig war. Wenn nachts um halb drei ein Anruf kam, ob ich bis sechs Uhr morgens zwanzig Seiten (zum Thema Vorteile analoger Uhren oder Der Charme von Frauen in den Vierzigern oder Die Schönheit von Helsinki, wo ich natürlich nie gewesen bin) abliefern könne, war ich schon um halb sechs damit fertig. Und wenn sie mich um eine Überarbeitung baten, hatte ich das bis sechs Uhr erledigt. Kein Wunder, dass ich einen guten Ruf hatte.
    Es war wie Schneeschaufeln.
    Wenn es schneite, leistete ich hocheffiziente Räumarbeit.
    Ohne ein Fünkchen Ehrgeiz, ohne die geringste Erwartung. Es ging mir lediglich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher