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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Pflanzen und Tieren, zu seinem Tabak und seinen Beeren. Wir können ihn jederzeit besuchen – wir kennen ja jetzt den Weg –, und wir werden zu ihm einen richtigen Pfad aus dem Urwald schlagen; dann sind wir in zwei Stunden bei ihm. Er gehört nicht mehr in die Zivilisation. Er ist ein Teil des unbekannten Landes geworden.«
    Sie standen vor der Kirche und blickten ihm nach, wie er langsam, das Gewehr unter dem Arm, zwischen den Bäumen verschwand und vom Urwald aufgenommen wurde. Er blieb nicht stehen und blickte zurück, er winkte nicht oder rief etwas zum Abschied. Das Letzte, was man von ihm sah, war sein langes weißes Haar, das noch im Halbdunkel des Waldes schimmerte, als man den Körper schon nicht mehr sah.
    Vier Wochen später, als Lakta und Schmitz ihn besuchten, fanden sie ihn in seiner Höhle liegen, mit einem blauen, geschwollenen Gesicht, wie es damals Steward Grant auch gehabt hatte, und da die Leichenstarre sich wieder gelöst hatte, mußte er schon einige Tage tot sein.
    Die Natur, zu der er gehörte, hatte ihn getötet. Der Biß einer Schlange, kaum einen Meter lang, nur fingerdick und mit einer grüngeschuppten Haut. Schmitz fand sie noch neben dem Backofen, wo sie zusammengerollt auf den warmen Steinen lag. Er erschlug sie mit einem Knüppel, immer und immer wieder hieb er auf sie ein, bis sie platzte, bis der Kopf ein blutiger Brei war und bis Lakta seinen Arm festhielt und zu ihm sagte: »Pepau, du kannst sein Leben nicht zurückschlagen.«
    Sie begruben James Patrik mitten in seinem geliebten Tabakfeld und rammten als Gedächtniszeichen sein Gewehr mit dem Zielfernrohr in die Steine.
    In das letzte Notizheft mit den Zeilen, die keiner mehr lesen konnte, weil es nur noch ein Gekritzel war, trug Leonora ein:
    »Der letzte Tag.
    Ich habe es geschafft. Ich bin dort, wo Frieden und Freiheit sind, Liebe und Treue, Vergebung und Gnade.
    Ich war immer ein guter Mensch und habe an das Gute geglaubt. Mein Leben war reich an Erfahrung und Wissen, und meine letzten Jahre haben mich dem Himmel näher gebracht.
    Ich danke Gott für seine unendliche Güte, und ich danke ihm aus vollem Herzen, daß ich leben durfte.
    Es war schön, wunderschön auf dieser Welt.«
    Sie klappte den Deckel des Heftes zu, trug es zur Kirche, legte es auf den Altar neben die Bibel, und Pater Lucius ließ es dort liegen, weil es nirgendwo anders liegen konnte als dort.
    »Und jetzt?« fragte Zynaker später. »Die Expedition hat ihr Ziel erreicht. Versuchen wir, uns in die Zivilisation durchzuschlagen?«
    »Ich überlasse dir die Entscheidung«, sagte Leonora.
    »Die anderen wollen bleiben. Pater Lucius wird eine richtige Kirche bauen und die Uma und Pogwa, die Duna und Enga zum Christentum führen. Lakta erwartet ein Kind von Pepau, Samuel will sich eine Uma-Frau nehmen, Fred wird nach seinem ›Glitzernden Berg‹ suchen – und wir?«
    »Würdest du auch hier bleiben?«
    »Ich bleibe da, wo du bist, das weißt du. Du willst nicht fort?«
    »Nein. Sieh dir die Menschen an, Donald. Sie brauchen mich. Da draußen gibt es Hunderttausende von Ärzten, hier nur mich und Pepau. Und Vater ist hier begraben. Er hätte bestimmt gesagt: ›Nora, bleib hier.‹«
    »Dann laß uns morgen schon anfangen.« Zynaker spuckte symbolisch in die Hände. »Wir alle bauen deinen Traum, das Urwaldhospital im unerforschten Land der ›Täler ohne Sonne‹.« Er schlang die Arme um sie und drückte sie an sich. »Hast du das mal gesagt: ›Die Welt ist überall schön‹?«
    »Ja, aber es hieß anders: ›Die Welt ist überall schön, wo die Liebe ist.‹«
    »Wenn es danach geht«, Zynaker machte eine alles umfassende Handbewegung, »dann gehört uns die ganze Welt.«
    Fast ein Jahr später, nachdem die Expedition von Leonora Patrik im südlichen Hochland spurlos verschwunden war, entdeckte ein Postflieger bei wunderschönem klaren Wetter in einem gelbschäumenden Fluß ein paar große, in der Sonne blinkende Gegenstände. Neugierig ging er tiefer, flog den Fluß noch einmal hinauf und stieß einen grellen Pfiff aus, als er erkannte, was da in der Strömung zwischen den Steinen lag.
    Zwei Flugzeugmotoren und der Rest einer Kanzel.
    Er zog wieder hoch und rief die nächste Station an. Es war Kopago, ein Lieutenant Ric Wepper meldete sich.
    »Sir«, rief der Postflieger aufgeregt, »ich habe soeben in einem Fluß zwei Flugzeugmotoren entdeckt. Da muß einer runtergekommen sein. Alles andere ist weggespült. Ja, im unerforschten Land. Planquadrat D 19
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