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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gleichzeitig die Antwort. »Mein Gott, wie konnte das passieren?«
    »Hano Sepikula hat die Macht übernommen.« Zynaker atmete ein paarmal tief durch.
    »Und Dai Puino und seine Familie und die anderen?«
    »Hoffen wir, daß sie noch leben!«
    »Laß uns zu meinem Vater zurückkehren!«
    »Zu spät – sie haben uns schon gesehen. Sie haben auf uns gewartet.«
    »Und wo sind Pater Lucius, Fred und John Hannibal?«
    »Das werden wir in wenigen Minuten wissen.«
    Eine Schar Krieger kam dicht gedrängt auf sie zu, die Speere wie zum Angriff gefällt. Mit den bemalten großen Holzschilden bildeten sie eine drohende Wand.
    Zynaker hob die MPi, bereit, den Abzugshebel durchzuziehen. »Samuel!« rief er.
    »Masta …« Samuel lag hinter einer Bananenstaude und zitterte in Todesangst.
    »Sag ihnen: Wenn sie weiter vorrücken, schieße ich.«
    »Sie wissen nicht, was Schießen ist, Masta.«
    »Dann sag ihnen: Der ›Geist der donnernden Wolken‹ wird zu ihnen sprechen und sie alle töten!«
    Mit stotternder Stimme rief Samuel es den Kriegern zu, und tatsächlich, sie blieben stehen.
    Hano Sepikula erhob sich von seinem Thron und kam langsam auf sie zu. Er streckte die Hand aus und sagte ein paar Worte.
    Sofort gab Samuel sie wieder. »Er sagt, wir sollen in die Hütte gehen, wo gesungen wird, dann wird uns nichts geschehen.«
    »Er meint, in die Kirche?«
    »Ja.«
    »Also denn, gehen wir!« Zynaker faßte Leonora unter. Zur Kirche waren es nur zwanzig Meter, aber es waren zwanzig unendlich lange Schritte, mit Speeren und Pfeilen in ihrem Rücken. Als sie die Tür aufstießen, sahen sie Pater Lucius und Kreijsman auf Hockern sitzen.
    »Gott segne euch«, sagte Pater Lucius. »Warum seid ihr nicht dort geblieben, wo ihr wart?«
    »Was ist geschehen, Pater?« fragte Leonora. »Und wo ist Reißner?«
    Kreijsman schloß die Augen, sein Kopf sank auf die Brust.
    »Mit John Hannibal fing es an.« Pater Lucius faltete die Hände und schüttelte den Kopf, als könne er das alles noch nicht begreifen. »Er hat gestern der schönen Nana aufgelauert, dort bei den Süßkartoffelfeldern, hat sie in den Wald gezerrt und vergewaltigt. Simsa, ihr Mann, hat ihn eine Stunde später mit dem Speer erstochen. John Hannibal hatte keine Chance – es ging so schnell, daß er seine Pistole nicht mehr ziehen konnte. Und dann haben sie ihn durchs Dorf getragen, die Frauen haben ihm die Kleider vom Leib gerissen und ihn zerstückelt.«
    Kreijsman würgte, als wolle er sich übergeben, und sagte dann tonlos: »Sie haben ihn gebraten und gefressen, vor unseren Augen. Nur sein Kopf blieb übrig. Er hängt über dem Eingang vom Männerhaus eins.«
    »Mein Gott, mein Gott …« Es war das einzige, was Leonora hervorbrachte. Sie setzte sich auf einen der Hocker, die von den Uma aus Palmenholz gezimmert worden waren, nachdem Pater Lucius mit der Motorsäge die Bäume gefällt und die Stämme in Bretter geschnitten hatte. »Habt ihr das nicht verhindern können?«
    »Wer denkt denn daran, daß John Hannibal eine Eingeborene vergewaltigt?« Pater Lucius stand von seinem Schemel auf, ging zur Tür der Kirche und blickte auf den Dorfplatz hinaus. Dort standen die Krieger in Gruppen herum und hörten Hano Sepikula zu, der zu ihnen sprach. »Wir sind jetzt Gefangene. Die Tragödie mit Reißner ist nicht das Schlimmste, viel gefährlicher ist, daß man jetzt gesehen hat, daß wir auch nur Menschen sind und keine Götter, daß man uns töten und fressen kann. Der Glaube an unsere Unsterblichkeit ist zerstört. Das hat Hano Sepikula so stark gemacht, daß er über seinen Bruder gesiegt hat. Wir, die fremden Götter, waren Dai Puinos Stärke – jetzt weiß jeder, wie schwach wir sind. Und Duka Hamana ist auch wieder da. Sie liegen ihm zu Füßen, weil er aus dem Totenreich zurückgekehrt ist.« Pater Lucius lachte bitter auf. »Mit Grüßen von den Ahnen an die Lebenden. Dagegen kommt niemand an.«
    »Werden sie uns töten?« fragte Leonora.
    »Wer weiß das?«
    »Pepau und ich haben neun Männern das Leben gerettet, das kann Hano Sepikula nicht vergessen haben.«
    »Sicherlich nicht. Sie werden dich töten, aber aus Dankbarkeit nicht fressen.«
    »Ich habe die MPi mit zwei vollen Magazinen und meine Pistole.« Zynaker trat neben Pater Lucius an die Tür und sah auf die bemalten Körper und die gelben Gesichter der Uma. »Bis sie uns überwältigt haben, wird es viele Tote geben. Wo habt ihr eure Waffen?«
    »Im Männerhaus. Es ging alles so schnell. Wir ahnten ja
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