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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Aufzeichnungen hinterlassen, wo du landen wolltest. Dazu gehörte auch dieses Tal. Aber plötzlich wart ihr verschollen, niemand hat mehr etwas von euch gehört. Ihr müßt mit dem Flugzeug hier abgestürzt sein, Vater, erinnere dich!«
    »Ein Flugzeug – ich weiß nicht … Warum nennen Sie mich immer Vater, Lady?«
    Zynaker legte die Hand auf Leonoras Arm und drückte ihn, bevor sie etwas sagen konnte. Sie schluckte mehrmals und würgte die Worte hinunter.
    »Sir, Sie fanden diese Höhle und blieben hier, weil der Versuch sinnlos war, zu Fuß aus diesem Urwald und den Bergen herauszukommen. Herumstreifende Jäger der verschiedenen Stämme entdeckten Sie, man sah Ihr Feuer, den Rauch, man roch, wenn Sie etwas brieten. Da griffen Sie zu dem ebenfalls geretteten Gewehr und erschossen die Kopfjäger. Es waren die ersten Schüsse, die diese Wilden jemals gehört haben, dazu das dreifache Echo in diesem Tal. Sie wurden für sie der ›Geist der donnernden Wolken‹, ein Dämon, dem man aus dem Weg ging. Ein böser Geist, der Löcher in die Stirnen zauberte.«
    »Das war der andere. Wir waren zwei Männer.«
    »Steward Grant?«
    »Hieß er so? Ich weiß es nicht.«
    »Wo ist Grant jetzt?«
    »Irgendwann hat ihn mal eine Schlange gebissen, ich konnte nichts tun.« Patrik zeigte auf einen Geröllhügel unterhalb der Höhle. »Da liegt er, unter den Steinen.«
    »Wann war das, Sir?«
    »Ich sagte es doch schon, irgendwann. Er war ganz blau im Gesicht, als er starb. Ein schreckliches Gift. Aber ich habe die Schlange bekommen, ich habe ihr mit einem Spaten den Kopf abgeschlagen. Ein großes Exemplar. Ich habe neun Tage davon essen können.«
    Leonora hob die Schultern und begann zu frieren.
    Zynaker legte wieder den Arm um sie. »Seitdem sind Sie allein, nicht wahr?«
    »Ja. Aber nun sind Sie hier. Was wollen Sie hier?«
    »Wir haben Sie gesucht, Sir.«
    »Wieso sucht man mich? Was will man von mir? Ich lebe hier, ich gehöre hierher. Ich will gar nicht gesucht werden.«
    »Wir wollen dich mitnehmen, Vater«, sagte Leonora mühsam. Ihr Weinen übertönte immer wieder ihre Worte. »Du sollst nach Hause kommen.«
    »Ich bin doch zu Hause.« Zum erstenmal sah Patrik Zynaker an – es war ein böser Blick. »Sie sind meine Gäste, aber Frechheiten dulde ich nicht, hören Sie? Sie sind unhöflich. Sie verschmähen mein gutes Wildschweinfleisch.«
    Notgedrungen griff Zynaker zu, steckte sich ein Stückchen in den Mund und hatte nach einigen Augenblicken das Bedürfnis, es wieder auszuspucken. Sein Speichel löste das Dörrfleisch auf, es war ihm, als fülle sich sein Gaumen mit Blut, und so schmeckte es auch. Schmitz nahm ebenfalls ein Stück, aber er warf es schnell über seine Schulter, als Patrik in eine andere Richtung blickte.
    »Wir wollen bei Einbruch der Dunkelheit wieder im Dorf sein«, sagte Zynaker. »Kommen Sie mit, Sir. Alle werden sich freuen.«
    »Nein!« Patrik erhob sich, nahm die Teekanne und goß den Rest Tee auf den Boden. Zynaker verstand. Das war ein Hinauswurf.
    »Können … können wir nicht dein Haus besichtigen?« fragte Leonora und weinte dabei weiter.
    »Bitte.« Patrik zeigte auf den Höhleneingang. »Es ist ein gemütliches Haus, ich fühle mich wohl in ihm.«
    Leonora stand auf und ging langsam in die Höhle hinein. Aus einer Spalte in der Decke fiel schwaches Licht, hell genug, daß man Einzelheiten erkannte. Da stand ein Klappbett an der Wand, Decken lagen herum, in einer Ecke lehnte ein noch zusammengefalteter Fallschirm, der Boden war mit Matten belegt, die wie die Bodenmatten eines Flugzeugs aussahen. Eine große Werkzeugkiste, drei Thermosflaschen, andere Kisten standen an einer anderen Wand, und in der Mitte des Raumes erhob sich ein richtiger Tisch mit zwei ausgebauten, zerschlissenen Flugzeugsitzen. In einem Wandregal aus Aluminium, aus der Außenhaut des Flugzeugs gezimmert, standen drei Bücher über Anthropologie und einige Hefte mit handschriftlichen Aufzeichnungen.
    Leonora nahm sie und setzte sich mit ihnen an den Tisch. Das erste Heft, das sie aufschlug, zeigte die schöne, etwas steile Schrift ihres Vaters. Leonora las:
    »Zweiter Tag,
    Wir haben den Absturz gut überstanden. Grant hat sich den linken Fuß verstaucht, mir ist – welch ein Wunder! – gar nichts passiert. Den gestrigen Tag haben wir damit verbracht, alles, was man aus einem Flugzeug ausbauen und wegbringen kann, an Land zu schaffen. Es ist eine kleine Bucht mit einem winzigen Strand, viele Kieselsteine und Mangroven,
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