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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne
Autoren: Heinz G. Konsalik
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möglich ist, kann ich Ihnen an diesem Medium zeigen«, hatte der Hypnotiseur gesagt. »Das hier ist ein Bauernbursche aus Friesland. Er kann kaum lesen und schreiben, ist ein guter Arbeiter auf dem Hof, aber geistig zurückgeblieben. Ich werde ihn jetzt in Hypnose und in das alte Ägypten versetzen, in die Zeit von Ramses II. Er wird uns schildern, was er sieht, wie das Leben dort ist, und er wird es in altägyptischer Sprache tun. Ich bitte um völlige Ruhe.«
    Was dann geschah, war allen unerklärlich. Der tumbe Bauernbursche, in einem Sessel sitzend, fiel in tiefe Trance und begann nach dem Befehl des Hypnotiseurs plötzlich in einer fremden, kehligen Sprache zu sprechen. »Es ist wirklich Altägyptisch!« rief ein Ägyptologe aus dem Saal. »Das ist doch nicht möglich!« Der Bauernbursche sprach mit Händen und Armen, schien zu schildern, wie das Leben in der Stadt Theben war, und verbeugte sich mehrfach, als begegnete er Bekannten oder hohen Würdenträgern. Nachdem ihn der Hypnotiseur wieder in die Gegenwart zurückgeholt hatte, wußte er von nichts mehr und sprach wieder seine gewohnte Sprache, eine fürchterliche Mundart.
    Pater Lucius atmete tief auf, nahm allen Mut zusammen und wagte das verrückte Experiment. »Du sprichst jetzt Englisch«, sagte er zu Duka Hamana. »Hörst du? Englisch. Ich spreche mit dir jetzt Englisch, und du tust, was ich dir auf englisch befehle. Hörst du? Englisch.« Er wartete einen Augenblick und fuhr fort: »Du bückst dich, nimmst die Schale mit den Würmern und ißt sie … Du ißt die Würmer.«
    Durch Duka Hamana ging ein Ruck. Und dann bückte er sich, hob die Schale vom Boden auf und stopfte sich die lebenden Würmer in den Mund. Er zerkaute und schluckte sie hinunter.
    Pater Lucius war selbst von dem Erfolg seiner Hypnose überwältigt. »Gut, mein Junge«, sagte er. »Sehr gut. Und jetzt hebst du das linke Bein und bleibst auf dem rechten stehen, ohne umzufallen.«
    Gehorsam führte Duka Hamana den Befehl aus, stand wie ein Storch auf einem Bein und schwankte keinen Millimeter. Hano Sepikula preßte die Lippen zusammen, ging um Duka Hamana herum und stieß ihn an; aber es war, als stoße er gegen einen geschnitzten und bemalten Holzstamm. Auch als er ihm mit der Faust auf die Schulter schlug, rührte sich Duka Hamana nicht.
    Jetzt werde ich dir mal zeigen, was alles möglich ist, Hano Sepikula, dachte Pater Lucius übermütig. Nach diesem Experiment stand der Sieger fest. Er beugte sich zu Duka Hamanas Kopf vor, sah ihm in die starren, glänzenden Augen und sagte eindringlich: »Hörst du mich? Ich befehle dir: Du drehst dich um, siehst Hano Sepikula an, hebst die Hand und gibst ihm eine Ohrfeige. Eine kräftige Ohrfeige. Los!«
    Duka Hamana ließ das Bein sinken, drehte sich zu Hano Sepikula um, hob die Hand, und ohne zu zögern, dem Befehl des fremden Willens völlig unterworfen, schlug er dem Häuptling mit aller Kraft ins Gesicht. Ein Stöhnen flog durch die Reihen der Krieger.
    Nur einen winzigen Augenblick war Hano Sepikula erstarrt. Dann riß er seinen Speer empor, hoch in die Luft, und stieß mit der ganzen Wucht seiner Muskeln die Spitze mit den Widerhaken in Duka Hamanas Brust. Als Duka Hamana auf den Rücken stürzte, blieb der Speer in seinem Körper stecken, und der Schaft wippte ein paarmal hin und her.
    Pater Lucius hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und wandte sich ab. Was er als einen Scherz hatte vorführen wollen, war zum Tod geworden. Langsam, mit hängenden Annen und schleifenden Füßen ging er zur Kirche zurück, wo Leonora, Zynaker und Kreijsman in der Tür standen. »Das habe ich nicht gewollt«, sagte er, kniete vor dem Altar nieder und schloß die Augen. »Das nicht! Herr, vergib mir. Ich bin ein dummer Mensch, ich hätte es wissen müssen. Ich habe einen Menschen getötet aus Dummheit. Jesus, vergib mir!«
    Eine Stunde später kamen Schmitz und Lakta durch den Bananenwald ins Dorf. Hinter ihnen, in einem langen Gewand wie ein Priester, schritt James Patrik, das Gewehr in der Hand, würdevoll, wie man es von ihm erwartete; sein langes weißes Haar und sein weißer Bart flatterten im warmen Wind, der vom Berghang über das Dorf strich.
    Sein Erscheinen löste eine ungeheure Wirkung aus. Die Krieger ließen Schilde und Waffen fallen und warfen sich flach auf die Erde, die Frauen und Kinder flüchteten schreiend in die Hütten. Nur Hano Sepikula blieb geduckt stehen, lauernd, wie zum Sprung bereit, in diesem Augenblick mehr einem Tier
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