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Dracula, my love

Dracula, my love

Titel: Dracula, my love
Autoren: Syrie James
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PROLOG
    1897
    Sieben lange Jahre sind vergangen seit jener ersten Nacht, da er das erste Mal in meinem Schlafgemach erschien, sieben lange Jahre, seit jene gespenstischen, unglaublichen und gefährlichen Ereignisse geschahen, Ereignisse, von denen ich mir gewiss bin, dass niemand ihnen Glauben schenken wird, obwohl wir sie sorgfältig schriftlich aufgezeichnet haben. Von Zeit zu Zeit sehe ich mir die Abschriften der Tagebücher, die ich und die anderen verfasst haben, noch einmal an, um mir in Erinnerung zu rufen, dass all dies wirklich geschehen ist und ich es nicht nur geträumt habe.
    Gelegentlich, wenn mein Blick auf einen weißen Nebel fällt, der sich unten im Garten zusammenballt, wenn des Nachts ein Schatten über eine Mauer huscht oder wenn ich Stäubchen in einem Mondstrahl wirbeln sehe, fahre ich noch voller Erwartung und Schrecken auf. Dann drückt mir Jonathan die Hand und schaut mir mit stillem, aufmunternden Blick in die Augen, als wolle er mir mitteilen, dass er alles versteht und dass wir nun in Sicherheit sind. Doch wenn er sich danach am Kamin wieder seinem Buch zuwendet, pocht mein Herz immer noch wild in der Brust. Es überkommt mich nicht nur jene bange Vorahnung, um die Jonathan weiß, sondern noch etwas anderes... ein sehnsüchtiges Verlangen.
    Ja, ein sehnsüchtiges Verlangen.
    Die Aufzeichnungen, die ich gemacht habe - das Tagebuch, das ich so sorgfältig in Kurzschrift verfasst und dann mit der Schreibmaschine transkribiert habe, damit die anderen es lesen könnten, enthielten nicht die ganze Wahrheit, nicht meine ganze Wahrheit. Manche Gedanken, manche Erlebnisse sind zu intim, als dass ich sie den Augen anderer Menschen preisgeben möchte. Manches Verlangen ist so schockierend, dass ich es nicht eingestehen mag, nicht einmal mir selbst. Würde ich Jonathan alles entdecken, so wüsste ich, dass ich ihn auf immer und ewig verlieren müsste, so sicher, wie ich auf immer und ewig die gute Meinung der gesamten ehrenwerten Gesellschaft verlöre.
    Ich weiß, was sich mein Ehemann wünscht - was sich alle Männer wünschen. Um Liebe und Respekt zu verdienen, muss eine Frau, sei sie nun ledig oder verheiratet, unschuldig sein: makellos an Geist, Körper und Seele. Das war auch ich einst, bis er in mein Leben trat. Manches Mal fürchtete ich ihn. Dann wieder verachtete ich ihn. Doch obwohl ich wusste, wer und was er war und was er wollte, konnte ich nicht umhin, ihn zu lieben.
    Niemals werde ich vergessen, wie mich der Zauber überkam, wenn ich mich in seine Umarmung schmiegte, wenn er mich mit seinen Blicken und dem Magnetismus seiner Augen fesselte, wenn ich in seinen Armen über die Tanzfläche wirbelte. Noch immer rieseln mir Schauer der Wonne über den Rücken, wenn ich mich des schwindelerregenden Gefühls erinnere, schnell wie das Licht mit ihm durch die Lüfte zu fliegen, wenn ich mich daran erinnere, wie er mich mit der leisesten Berührung vor unvorstellbarem Entzücken und Verlangen aufstöhnen ließ. Doch am wunderbarsten waren jene endlos vielen Stunden, die wir im Gespräch verbrachten, jene gestohlenen Augenblicke, in denen wir einander unser geheimstes Ich enthüllten und all das entdeckten, was uns einte.
    Ich liebte ihn. Ich liebte ihn leidenschaftlich, aus meinem tiefsten innersten Wesen und mit jedem pochenden Herzschlag. Es gab eine Zeit, da ich mit Freuden das diesseitige menschliche Leben aufgegeben hätte, um auf ewig mit ihm vereint zu sein.
    Und doch ...
    All die vielen Jahre lang lastete mir die Wahrheit dessen, was geschehen ist, schwer auf der Seele, raubte mir das Vergnügen an allen alltäglichen Dingen, nahm mir den Appetit und verbannte jeden Gedanken an Schlaf. Ich stelle fest, dass ich diese Schuld nicht länger in meinem Innern verschlossen halten kann. Ich muss alles zu Papier bringen, was doch nie irgendeinem Menschen zu Augen kommen soll. Aber ich bin sicher, dass mich erst die Niederschrift endlich frei machen wird, all das loszulassen.
    1
    Als ich an jenem hellen Julinachmittag des Jahres 1890 in Whitby aus dem Zug stieg, ahnte ich noch nicht, dass schon bald mein Leben und das Leben aller, die ich kannte und liebte, in höchster Gefahr schweben würde. Wir - diejenigen von uns, die all die Schrecken überstanden haben, sind für immer verändert daraus hervorgegangen. Es überkam mich keineswegs ein plötzliches Frösteln, als ich an jenem Tag den Fuß auf den Bahnsteig setzte, noch viel weniger hatte ich eine unheimliche Vorahnung von den unvorstellbaren
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