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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Belegexemplar zu Gesicht bekommen. Als der geheime Druckauftrag nun publik wurde, war die Aufregung im Verlag und in der Öffentlichkeit groß. Bei Rowohlt kam es zu scharfen Auseinandersetzungen, Lügen und Mißverständnissen, begleitet von hämischen Kommentaren der Presse; schließlich stand hinter den Konflikten letzten Endes die Frage nach dem politischen Selbstverständnis des Verlags. Hintermeier mußte gehen, doch damit kehrte keine Ruhe ein. Geschäftsführung und Lektoren vertrauten einander nicht mehr, und Forderungen nach mehr Mitspracherechten der Mitarbeiter wurden laut. Nach Drohungen von linksradikalen Gruppen sagte der Verlag selbst die Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse ab. Einige Lektoren wurden beurlaubt, andere kündigten, und am 1. Oktober 1969 verließ auch Fritz J. Raddatz den Rowohlt Verlag.
    1997
    6
Stephan Hermlin, mit bürgerlichem Namen Rudolf Leder, zählte zu den bedeutenden Schriftstellern der DDR. Er wurde 1915 als Sohn jüdischer Eltern in Chemnitz geboren, war Mitglied der DDR-Akademie der Künste, der Westberliner Akademie der Künste und Vizepräsident des Internationalen PEN. 1996 entzündete sich an seinem Werk eine der größten Literaturdebatten der Nachkriegszeit, ausgelöst durch Karl Corinos Buch «Außen Marmor, innen Gips. Die Legenden des Stephan Hermlin», das in einer minutiös recherchierten Studie Selbstauskünfte Hermlins mit den Fakten konfrontiert, die Corino in Archiven und andernorts zusammengetragen hatte.
Die Thesen Corinos wurden in allen Feuilletons des Landes diskutiert. Manche Journalisten witterten Demontage, «Haßgesänge», sogar Antisemitismus. Andererseits machte sich Empörung darüber breit, daß Hermlin jahrzehntelang mit einer erfundenen oder doch geschönten Biographie aufgetreten war und eine antifaschistische Legende befördert hatte.
Der Vorwurf bezog sich in erster Linie auf Hermlins Buch «Abendlicht» (1979), das von den meisten Lesern und Rezensenten als autobiographisches und nicht als fiktives Werk gelesen worden war, zumal sich Hermlin gegen diese Lesart nie gewehrt, sie vielmehr in Interviews bekräftigt hatte. Nun kam ans Licht, daß sein Vater eben nicht, wie angenommen, im Konzentrationslager umgekommen, sondern in London an Lungenkrebs verstorben war. Außerdem war Hermlin nach Corino weder Offizier im Spanischen Bürgerkrieg noch Mitglied der Résistance gewesen, und seine Mutter war eine galizische Jüdin und keine Engländerin. Fritz J. Raddatz setzte sich in einem großen Artikel in der ZEIT vom 18. Oktober 1996 mit dem Fall auseinander und betonte, daß fast der gesamte Text von «Abendlicht» in «vielfacher Variante vorher als deklariert autobiographischer Text publiziert worden» war. Er hielt allerdings auch fest, daß Hermlin zwar gelogen habe, ungeachtet dessen aber ein großartiger Schriftsteller bleibe, gerade auch in «Abendlicht».
Völlig frei erfunden war Hermlins Lebenslauf übrigens nicht. Sein Vater war, wie Corino anmerkte, tatsächlich einige Wochen in einem KZ interniert gewesen, und auch der Autor selbst entging 1942 nur knapp der Deportation, nachdem er in der französischen Armee gedient hatte. Hermlin starb 1997 in Berlin.

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