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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
Autoren: Fritz J. Raddatz
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vorbeiziehen lasse; mal ganz rasch Heißenbüttel, dann ausführlich, mit dem ich in seinem Auto (aber er fährt realiter gar nicht Auto) zu einem Hesse-Kongreß fahre, den er – «Joa, der Herr Unseld also …» – als lästig empfindet, wo er dann aber plötzlich ein Hesse gewidmetes Gedicht vorträgt. Also Hans Magnus Enzensberger, wie er leibt und lebt. Mal koche ich mit Hildesheimer, mal fahre ich im Porsche mit Grass, mal erklärt mir Bucerius: «Sie wohnen ja im Hause meines Vaters», und seine Leib-Dame Hilde von Lang überreicht mir 1 Scheck: «1 Monatsgehalt pro Jahr = 25 Monatsgehälter»: die Armada der Wünsche, die Scheherezade der Copains. Letzte Nacht eine ganz ausführliche, mit Räumen und Personen haargenau ausstaffierte Sitzung in den Redaktions-Räumen der «Welt» (was ja heißt: Wieso kommt, und sei’s der Rache wegen, kein Angebot?) und eine feierlich-traurige Begegnung mit Ruth; was ja wieder in der Traumdeutung heißt: ein emotionaler Notruf.
    All dies bedeutet Schatten auf der Seele; was sonderbar klingt, da von Arbeit die Rede ist; und nicht sonderbar, weil Arbeit für mich nie Job war. So bin ich tatsächlich hier ums Telefon herumgeschlichen, fest überzeugt, die Redaktion wird mich um den Nachruf auf Stefan Heym bitten – wer, wenn nicht ich? Ich kenne ihn seit 1950, war Copain wie Streitpartner, mochte seine jüdische List, seine kleinen Verlogenheiten und seinen Anstand der Wahrheit, respektierte sein Werk. Alberner Gedanke, wohl wahr: Er wird sich wundern, daß der Fritz schweigt. Es gehört sich nicht.
    Kampen, den 28. Dezember
    Das Jahr endet so unentschieden wie das Wetter hier; Matsch, Sonne, Schnee, Regen, Sturm, Dunkel; alles durcheinander. D. h., das Jahr «endet» nicht so, sondern WAR so, mal ging alles ganz gut, der fatale Geburtstag ordentlich überstanden, die beiden Bücher (von denen ich überzeugt bin) gebührend verrissen, d. h. gerühmt in winzigen Provinzblättern und hingemordet in den «führenden» Blättern, die einzig wichtige positive Kritik von Drawert in der NZZ von der Redaktion abgelehnt nach dem ewigen Motto: «Positiv über Raddatz … unmöglich!», andererseits beide Bücher rasch in 2. Auflage, in den letzten Wochen des Jahres noch Aufnahme in die Akademie der Künste, was wieder im 70. Lebensjahr eher schmählich, wäre recte abzulehnen, wenn das hinwiederum nicht ein zu «großer» Akt wäre. Ehrenhaft jedenfalls ist es nach so vielen Jahrzehnten des «Rausgestelltwerdens» nicht, zumal es keineswegs «die Akademie» ist, die das nun etwa dringlich wollte, sondern wieder der Freund Grass war, der’s beantragt hat und dem man es wegen des Nobelpreises nicht abschlagen konnte.
    So klingt wie eine Jahres-, nein, wie eine Lebensbilanz, wenn ich grad irgendwo den 90. Psalm las: «… wir bringen unsere Jahre hin wie ein Geschwätz. Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und wenn es köstlich war, ist es Mühe und Arbeit gewesen.»

Editorische Notiz
    Die hier vorliegenden Tagebücher folgen wörtlich dem – oft handschriftlichen – Original; sie sind weder neu formuliert noch redigiert noch stilisiert. Sie sind allerdings gekürzt, und das aus zwei Gründen. Zum einen wegen häufiger Wiederholungen, zum anderen – sehr gelegentlich –, um dem Recht auf Persönlichkeitsschutz Genüge zu tun.

    Die meisten der im Text erwähnten Artikel, Interviews oder Reportagen des Autors erschienen in der ZEIT respektive dem ZEIT-Magazin. Viele davon – wie auch längere Funk-Essays (zu William Faulkner, Marguerite Yourcenar, Thomas Mann u. a. m.) – fanden später Aufnahme in Sammelbänden. Dasselbe betrifft die Reiseberichte (Mexiko, Kolumbien, USA, Kuba). Die Romane oder Biographien (Karl Marx, Heinrich Heine), auf die der Diarist manchmal hinweist, werden nicht gesondert ausgewiesen.

    Die hier vorliegenden 20 Jahrgänge (1982 bis Ende 2001) wurden für die Publikation ausgewählt, weil sie einen besonders markanten Zeitraum im Leben des Diaristen umfassen.

    Namen literarischer Figuren (Hamlet, Monsieur Charlus, Effi Briest, Ditte Menschenkind usw.) sowie Namen, die lediglich kurz erwähnt werden, sind im Personenregister nicht aufgeführt.

Quellenangabe
    Der Abdruck des Briefs von Gräfin Marion Dönhoff auf S. 51 – 52 erfolgte mit freundlicher Genehmigung der Marion Dönhoff Stiftung. Der Abdruck des Briefs von Günther Anders auf S. 172 – 173 erfolgte mit freundlicher Genehmigung von Gerhard
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