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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Jahreskreis
    Juli
    Als sie durch die geborstene Scheibe den Revolverlauf schimmern sah, dachte Hadley Knox: Ich sterbe für sechzehn Dollar Stundenlohn. Sechzehn Dollar Stundenlohn plus Kranken- und Zahnzusatzversicherung. Sie tauchte hinter dem Streifenwagen ab, als das Ding losging, ein gewaltiges Donnern, das über die grüngoldenen Heuwiesen rollte. Die Kugel schlug mit einem satten Geräusch in den Ahorn, unter dem sie geparkt hatte, und ließ feuchte, rohe Splitter auf sie herabregnen.
    Sie konnte den Gestank ihrer eigenen Angst riechen, eine Mischung aus dem Schweiß unter ihrer Uniform und dem bitteren Geruch von Kordit, der über den Hof des Farmhauses wehte.
    Der Mann, der auf sie feuerte, wandte sich von dem von der Veranda beschatteten Fenster ab und brüllte einer kreischenden Person im Zimmer etwas zu. Hadley zerrte die Tür des Streifenwagens auf, knallte die Kante gegen den Baum. Sie schnappte sich das Mikro. »Zentrale! Harlene? Der Scheißkerl feuert auf mich.« Ein Teil von ihr wusste, dass dies nicht die korrekte Formulierung war, um einen Polizisten unter Beschuss zu melden, aber das war ihr egal. Falls sie das hier lebend überstand, würde sie Marke und Waffe abgeben und bei der Milchgenossenschaft anfangen.
    Das Funkgerät knisterte. »Hadley? Ist deine Achtzig immer noch Christies Haus?«
    Sie konnte die Zentrale über das Geschrei und die Flüche aus dem Farmhaus hinweg kaum verstehen. Sie glaubte, zwei Männerstimmen auszumachen. »Ja«, rief sie und wurde mit einer Rückkopplung belohnt. Sie versuchte es noch einmal, wobei sie sich zwang, in normaler Tonlage zu sprechen. »Er hat eine .357 Magnum.« Sie hatte die Waffe erkannt. Verdammt heiß. »Möglicherweise sind es mehrere. Männer, meine ich. Nicht Waffen. Obwohl es auch noch mehr Waffen sein könnten.« Sie hörte sich selbst, am Rand der Hysterie. »Um Himmels willen, schick Hilfe.«
    Eine Pause entstand. Zur Hölle damit, dachte sie. Zur Hölle damit. Ich habe zwei Kinder, die mich brauchen. Als hätte die Beschwörung von Hudson und Genny ihre Wahrnehmung geschärft, erkannte sie plötzlich, dass das schrillste Kreischen nicht von einer Frau stammte. Oh, mein Gott. Ach du Scheiße. Sie schaltete das Mikro wieder ein. »Zentrale, da sind nicht nur die Schwester und die Frau von der Fürsorge. Die Kinder sind auch noch drin.«
    Diesmal antwortete Harlene umgehend. »Wagen sind unterwegs, und das staatliche Scharfschützenteam macht sich bereit. Sieh zu, dass du ihn in ein Gespräch verwickelst, bis Verstärkung eintrifft.«
    Hadley starrte aufs Mikrofon. »In ein Gespräch verwickeln? Worüber denn? Herr im Himmel, ich bin kein Unterhändler. Ich hab noch nicht mal die Grundausbildung zur Polizistin beendet!«
    »Du hast doch im Gefängnis mit wütenden Typen geredet, oder? Lass dir was einfallen. Zentrale Ende.«
    Mit wütenden Häftlingen reden? Teufel, ja. Nur lag der Unterschied darin, dass sie hinter Gittern saßen, unbewaffnet, machtlos, während sie frei umherlief, bewaffnet mit Knüppel und Elektroschocker. Häftlinge schossen nicht auf dich, geschützt von einem Haus voller Geiseln.
    Die Kinder kreischten, eine Frau schluchzte, der Mann fluchte. Lass dir was einfallen. Lass dir was einfallen. Hadley rutschte aus dem Streifenwagen und kauerte sich hinter die offene Tür. Sie reckte sich, bis sie durch die Scheibe blicken konnte. »He!«, brüllte sie. »He! Sie!«
    Der Lauf der Magnum schwang aus dem Farmhausfenster, ließ weitere Scherben zu Boden klirren. Gottverdammt, das Ding wirkte so riesig wie eine Kanone. Sie atmete ein. Die Julisonne brannte auf die ungepflasterte Zufahrt, von der Hitzeschwaden aufstiegen. Es war, als atmete man in einem Ofen. »Wie wär’s, wenn ich Ihnen die Kinder abnehme?«
    »Wie wär’s, wenn du hier raufkommst und …« Er erging sich in einer drastischen Beschreibung dessen, was sie für ihn tun sollte und er mit ihr machen würde. Sie hoffte bei Gott, dass die Kinder nichts davon verstanden.
    »Schicken Sie die Kinder raus, dann können wir darüber reden«, schrie sie. »Wollen Sie Geld? Einen Fluchtwagen?«
    »Ich will, was mir gehört«, brüllte die schemenhafte Gestalt mit der Waffe. »Das hat nichts mit dir zu tun, Nutte. Lass mich in Ruhe, dann passiert keinem was.« Etwas im Inneren des Hauses erregte seine Aufmerksamkeit. Er wirbelte herum. Brüllte etwas, das sie nicht verstand. Dann ging erneut die Waffe los.
    Ohne nachzudenken, sprang Hadley auf und rannte zum Haus, die Glock
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