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Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Titel: Perdido - Im Bann des Vampirjägers
Autoren: Bastei Lübbe
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Prolog
    M
arcello schlich geduckt, die Schultern an die kalte Wand gedrückt, durch den schummrigen Flur. Dabei hielt er den Blick fest auf das Ende des Ganges gerichtet, wo eine hoch aufragende, vermummte Gestalt vor einer wuchtigen Tür Wache hielt. Im Schutz des Halbdunkels wagte sich Marcello bis auf Armeslänge an den nichts ahnenden Posten heran, ließ sich auf ein Knie nieder und wartete.
    Er war fest überzeugt, dass sich das Gesuchte hinter der Tür befand, und er würde nicht eher fortgehen, bis er sich mit eigenen Augen davon überzeugt hatte. Über eine Stunde lang verharrten sowohl Marcello als auch der Wachposten in völliger Reglosigkeit. Marcello vernahm keinen Laut, hörte nur das Blut in seinen Ohren rauschen, bis auf einmal …
    »Barbarus!«
    Die barsche Stimme kam aus dem Raum hinter der Tür. Der Posten fuhr zusammen und stieß einen ärgerlichen Laut aus, weshalb er nicht hörte, dass Marcello erschrocken nach Luft rang.
    »Ja, Herr?«
    »Komm unverzüglich her!«
    Der Posten rührte sich nicht vom Fleck und legte fragend die bleiche Stirn in Falten.
    »Das bedeutet sofort, du Dummkopf!«
    »Sag das doch gleich«, brummelte der Posten gedämpft und verdrehte die roten Augen. Laut antwortete er: »Sehr wohl, Herr!«
    Die massive Tür quietschte in den Angeln, als der Posten sie aufdrückte, den dahinterliegenden Raum betrat und die Tür hinter sich zuwarf. Marcello ergriff die Gelegenheit beim Schopf, hastete hinterher und stellte seinen Tornister in den Spalt, bevor sich die Tür ganz schloss. Dann spähte er mit angehaltenem Atem durch den Spalt.
    Die wenigen Wandfackeln erleuchteten den Raum nur spärlich und warfen flackernde Schatten an die hohe, gewölbte Decke. Es war kaum heller als draußen im Flur. Mitten im Raum ruhte auf einem hohen Granitsockel ein Steinsarkophag, in den fremdartige Schriftzeichen eingemeißelt waren. An der gegenüberliegenden Wand stand ein hochlehniger Sessel. Außer dem Posten war kein Mensch zu sehen.
    Marcello beobachtete den Mann gespannt.
    »Guten Abend, Exzellenz«, grüßte der Posten. »Habt Ihr ausgeschlafen?«
    Daraufhin setzte sich in dem offenen Sarg jemand auf. Marcello schlug die Hand vor den Mund, damit man nicht hörte, wie er abermals nach Luft rang.
    »Ja. Danke der Nachfrage. Wie spät ist es?«
    »Fast Mitternacht.«
    Wie der Posten war auch die Gestalt im Sarkophag in einen schwarzen Umhang gehüllt. Der hohe Kragen verdeckte das Gesicht, das Marcello sein Profil zuwandte, nahezu vollständig. Der obere Teil des Kopfes, der kaum über den Kragen hinausragte, war mit kurzem schwarzen Fell bewachsen und mit zwei flauschigen schwarzen Ohren ausgestattet. Am Ende der schwarzen Schnauze sah man gerade noch eine blanke schwarze Nase aufblinken.
    »Ich habe Durst!«, blaffte das Scheusal. »Hol mir was zu trinken! Und wehe dir, es ist nicht frisch gepresst!«
    »Sehr wohl, Herr Graf!«
    »Ich brauche dir ja wohl nicht zu erzählen, was mit deinem Vorgänger passiert ist, der mir heimlich ein Glas im Keller gezapft hat.«
    Um der Warnung Nachdruck zu verleihen, griff das Scheusal beim Reden in den Sarkophag, holte ein Schwert heraus und schwenkte es in den schwarzen Pranken. Trotz der schlechten Beleuchtung konnte Marcello erkennen, dass der Schwertknauf aus einem einzigen riesigen Diamanten geschnitten war.
    Diesmal war deutlich zu vernehmen, wie er nach Luft schnappte.
    Er wartete nicht ab, ob ihn die beiden gehört hatten. Er griff sich seinen Tornister und rannte zur Wendeltreppe am anderen Flurende.
    Als er aus dem Schloss ins Freie stürmte, hinterließ er im frisch gefallenen Schnee tiefe Fußstapfen. Bestimmt waren ihm die Verfolger bereits auf den Fersen. Er rannte am Ufer des zugefrorenen Sees entlang und drehte sich erst um, als er die gegenüberliegende Seite erreicht hatte.
    Er sah niemanden.
    »Ganz ruhig, Marcello«, sprach er sich im Flüsterton Mut zu. »Die Luft ist rein.«
    Um wieder zu Atem zu kommen, kniete er sich kurz hin. Die Kälte stach ihm bei jedem Luftholen in die Brust. Er schaute über den See zum Schlosstor hinüber und versuchte zu begreifen, was seine jüngste Entdeckung zu bedeuten hatte, aber er war so aufgeregt und der Schreck saß ihm immer noch derart in den Gliedern, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Schon seit vielen Jahren waren immer wieder einmal Abenteurer auf die Suche nach dem Schwert gegangen, aber keiner hatte es je entdeckt – zumindest war keiner von einer solchen Unternehmung
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