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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma
Autoren: George Orwell
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heilig, heilig ist der Herr«, während er die heiße, rote Straße hinunterging und dabei das ausgedörrte Gras mit seinem Stock peitschte. Es war fast neun Uhr, und die Sonne wurde mit jeder Minute glühender. Die Hitze hämmerte einem auf den Kopf mit stetigen, rhythmischen Stößen wie Schläge mit einem riesigen Polster. Flory blieb vor dem Gartentor des Clubs stehen und wußte nicht recht, ob er hineingehen oder die Straße
    weitergehen und Dr. Veraswami besuchen sollte. Dann fiel ihm ein, daß heute »englischer Posttag« war und die Zeitungen
    gekommen sein würden. Er ging hinein, vorbei an dem hohen
    Drahtgitter des Tennisplatzes, das mit einer Kletterpflanze mit sternförmigen malvenfarbigen Blüten bewachsen war.
    Auf den Rabatten neben dem Weg drängten sich englische
    Blumen - Phlox und Rittersporn, Stockrosen und Petunien -, die die Sonne noch nicht erschlagen hatte, in üppiger Größe und Fülle. Die Petunien waren riesig, fast wie Bäume. Einen Rasen gab es nicht, aber ein Gebüsch von einheimischen Bäumen und Sträuchern - goldgelbe Mohurbäume wie große Sonnenschirme mit blutroten Blüten, Jasminsträucher mit sahnefarbenen,
    stiellosen Blüten, purpurne Bougainvillea, scharlachroter
    Hibiskus und die rosafarbene chinesische Rose, gallig grüne Krotons, gefiederte Tamarindenwedel. Der Zusammenstoß der
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    Farben in dem blendenden Licht tat den Augen weh. Ein fast nackter Mali bewegte sich, die Gießkanne in der Hand, in dem Blumendschungel wie ein großer honigsaugender Vogel.
    Auf den Stufen zum Club stand, die Hände in den Taschen
    seiner Shorts, ein strohblonder Engländer mit stacheligem
    Schnurrbart, zu weit auseinanderstehenden hellgrauen Augen und im Verhältnis zu seinen Beinen abnorm dünnen Waden. Es war Mr. Westfield, der Polizeiinspektor des Distrikts. Mit sehr gelangweilter Miene schaukelte er auf den Fersen vor und
    zurück und schürzte die Oberlippe, so daß sein Schnurrbart ihn an der Nase kitzelte. Er grüßte Flory mit einer leichten
    Seitenbewegung des Kopfes. Er sprach knapp und soldatisch
    und ließ jedes Wort weg, das nicht unbedingt notwendig war.
    Fast alles, was er sagte, war als Scherz gemeint, aber sein Ton war dumpf und melancholisch.
    »Hallo Flory, alter Junge. Ganz fürchterlicher Morgen, was?«
    »Damit müssen wir in dieser Jahreszeit wohl rechnen«, sagte Flory. Er hatte sich ein bißchen zur Seite gewandt, so daß die Wange mit dem Muttermal von Westfield abgewandt war.
    »Ja, verdammt nochmal. Zwei Monate noch so weiter.
    Voriges Jahr bis Juni nicht einen Tropfen Regen. Sehen Sie den verfluchten Himmel an, kein Wölkchen. Wie so ein verdammt
    großer blauer Emailletopf. Mein Gott, was gäb man darum, jetzt in Piccadilly zu sein, heh?«
    »Sind die englischen Zeitungen gekommen?«
    »Ja. Der liebe alte Punch, Pink’un und Vie Parisienne. Kriegt man direkt Heimweh, wenn man sie liest, was? Kommen Sie
    rein, trinken wir was, eh das ganze Eis schmilzt. Der alte Lackersteen hat richtig darin gebadet. Schon halb blau.«
    Sie gingen hinein, und Westfield bemerkte in seinem düsteren Ton: »Geh voran, Macduff.« Die Clubräume hatten mit
    Teakholz getäfelte Wände, die nach Erdöl rochen; es waren nur vier Räume, von denen einer eine trostlose ›Bibliothek‹ von
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    fünfhundert verschimmelten Romanen enthielt und ein anderer einen alten, schäbigen Billardtisch, der jedoch selten benutzt wurde, weil fast das ganze Jahr hindurch Scharen von
    geflügelten Insekten um die Lampen summten und sich auf dem Filzbezug niederließen. Außerdem gab es ein Spielzimmer und eine ›Lounge‹, aus der man über eine breite Veranda zum Fluß hinausblickte; aber zu dieser Tageszeit waren alle Veranden mit grünen Bambusstabjalousien verhängt. Die Lounge war ein
    ungemütlicher Raum, mit Kokosmatten auf dem Boden und
    Korbsesseln und tischen, auf denen glänzende illustrierte
    Zeitschriften herumlagen. Als Ausschmückung gab es eine
    Anzahl ›Bonzo‹-Bilder und die verstaubten Sambarschädel. Ein träge fächernder Punkah schüttelte Staub in die lauwarme Luft.
    Drei Männer waren in diesem Raum. Unter dem Punkah
    räkelte sich ein blühender, gutaussehender, etwas gedunsener Mann von vierzig Jahren, den Kopf in die Hände gestützt, quer über den Tisch und stöhnte vor Schmerzen. Das war Mr.
    Lackersteen, der örtliche Geschäftsführer einer Holzfirma. Er war am Abend vorher schwer betrunken gewesen und litt nun
    darunter. Ellis, örtlicher Geschäftsführer einer
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