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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma
Autoren: George Orwell
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der
    Bühne, die mit Fahnen und Blumen behangen war, saß der
    Gouverneur im Gehrock, auf einer Art von Thron, mit einer
    Schar von Flügeladjutanten und Ministern hinter ihm. Überall um den Saal herum standen die großen, bärtigen indischen
    Kavalleristen der Leibwache des Gouverneurs wie glanzvolle Wachsfiguren, mit bewimpelten Lanzen in der Hand. Draußen
    schmetterte ab und zu eine Kapelle. Die Galerie leuchtete von
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    den weißen Ingyis und den rosaroten Tüchern der burmanischen Damen, und im Zentrum der Halle warteten hundert Männer
    oder mehr darauf, ihren Orden zu erhalten. Da waren
    burmanische Beamte in grellen Pasos aus Mandalay, und Inder in goldfarbigen Pagris, und britische Offiziere in Galauniform mit klirrenden Schwertscheiden und alte Thugyis, deren graues Haar im Nacken geknotet war und von deren Schultern Dahs mit silbernem Griff herabhingen. In einer hohen, klaren Stimme verlas ein Minister die Liste der Auszeichnungen, die vom
    C.I.E, bis zur Ehrenurkunde im geprägtem Silberetui reichten.
    Bald war U Po Kyin an der Reihe, und der Minister las von
    seiner Schriftrolle vor: »An U Po Kyin, Stellvertretender Hilfs-Distriktchef, im Ruhestand, für lange und treue Dienste und besonders für seine rechtzeitige Hilfe beim Unterdrücken einer äußerst gefährlichen Rebellion im Kyauktada-Bezirk« - und so weiter und so fort.
    Dann hievten zwei Gefolgsleute, die zu diesem Zweck dort
    postiert worden waren, U Po Kyin aufrecht, und er watschelte zur Bühne, verbeugte sich so tief, wie es ihm sein Bauch
    gestattete, und wurde ordnungsgemäß ausgezeichnet und
    beglückwünscht, während Ma Kin und andere Anhängerinnen
    wild klatschten und ihre Schals von der Galerie schwenkten.
    U Po Kyin hatte alles ge tan, was ein Sterblicher tun konnte.
    Nun war es an der Zeit, sich auf die nächste Welt vorzubereiten, mit dem Bau von Pagoden zu beginnen. Aber
    unglücklicherweise gingen genau an diesem Punkt seine Pläne schief. Nur drei Tage nach dem Galaempfang des Gouverneurs, bevor auch nur ein Ziegelstein jener Pagoden der Versöhnung gelegt worden war, wurde U Po Kyin vom Schlage getroffen
    und starb, ohne wieder zu reden. Es gibt keinen Schutz gegen das Schicksal. Ma Kin war ob des Unglücks ganz gebrochen.
    Auch wenn sie selbst die Pagoden gebaut hätte, wäre es U Po Kyin nicht zugute gekommen, man kann kein Verdienst
    erwerben außer durch eine eigene Tat. Sie leidet sehr, wenn sie
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    daran denkt, wo U Po Kyin jetzt sein muß - in Gott weiß was für einer schrecklichen unterirdischen Hölle von Feuer und
    Finsternis und Schlangen und Dämonen wandernd. Oder selbst wenn er dem Schlimmsten entronnen wäre, ist seine andere
    Befürchtung Wirklichkeit geworden, und er ist in der Form einer Ratte oder eines Frosches auf die Erde zurückgekehrt. Vielleicht ist er gerade in diesem Augenblick dabei, von einer Schlange verschlungen zu werden.
    Für Elizabeth nun fügte sich alles besser, als sie erwartet hatte. Nach Florys Tod sagte Mrs. Lackersteen, einmal alle Masken fallenlassend, offen, daß es keine Männer in diesem schrecklichen Ort gebe und die einzige Hoffnung darin
    bestünde, mehrere Monate in Rangun oder Maymyo zu leben.
    Aber sie konnte Elizabeth nicht sehr gut allein nach Rangun oder Maymyo schicken, und selber mit ihr gehen bedeutete
    praktisch, Mr. Lackersteen zum Tod durch Delirium tremens zu verurteilen. Monate vergingen, und die Regenfälle erreichten ihren Höhepunkt, und Elizabeth war gerade zu der Überzeugung gelangt, daß sie doch heimkehren mußte, ohne einen Pfennig und unverheiratet, als ausgerechnet Mr. Macgregor um ihre Hand anhielt. Er hatte es schon lange im Sinn gehabt, tatsächlich hatte er nach Florys Tod nur eine schickliche Zeitspanne
    abgewartet. Elizabeth nahm ihn mit Freuden an. Er war zwar ziemlich alt, aber ein stellvertretender Distriktchef ist nicht zu verachten - bestimmt eine viel bessere Partie als Flory. Sie sind sehr glücklich. Mr. Macgregor war immer schon ein gutmütiger Mann, aber seit seiner Heirat ist er menschlicher und
    liebenswerter geworden. Seine Stimme dröhnt weniger, und er hat seine Morgenübungen aufgegeben. Elizabeth ist erstaunlich rasch reif geworden, und eine gewisse Härte im Auftreten, die ihr immer zu eigen war, hat sich verstärkt. Ihre Diener leben in Schrecken vor ihr, obwohl sie kein Wort Burmanisch redet. Sie hat eine erschöpfende Kenntnis der Zivilliste, gibt reizende kleine Abendgesellschaften und weiß die Gattinnen
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