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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma
Autoren: George Orwell
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diese eine Frage. Nach dem, was geschehen ist, können Sie mir je verzeihen?«
    »Verzeihen? Was soll das heißen, Ihnen verzeihen?«
    -319-
    »Ich weiß, daß ich in Ungnade gefallen bin. Es war das
    Schändlichste, was passieren konnte! Bloß, in einem gewissen Sinne war es nicht meine Schuld. Sie werden’s sehen, wenn Sie ruhiger geworden sind. Glauben Sie - nicht jetzt, es war zu schlimm, aber später - glauben Sie, daß Sie es vergessen
    können?«
    »Ich weiß wirklich nicht, wovon sie sprechen. Vergessen?
    Was hat das mit mir zu tun? Ich fand es sehr widerlich, aber es ist nicht meine Sache. Ich kann mir nicht vorstellen, warum Sie mich überhaupt so ausfragen.«
    Er verzweifelte fast dabei. Ihr Ton und sogar ihre Worte
    waren genau dieselben, die sie in jenem früheren Streit benutzt hatte. Es war wieder der gleiche Zug. Statt ihn bis zum Ende anzuhören, würde sie ihm ausweichen und sich vor ihm drücken
    - ihn kurz abfertigen, indem sie so tat, als hätte er keinen Anspruch auf sie.
    »Elizabeth! Bitte antworten Sie mir. Bitte seien Sie aufrichtig zu mir! Dieses Mal ist’s ernst. Ich erwarte nicht, daß Sie mich mit einem Male zurücknehmen. Das könnten Sie nicht, da ich so öffentlich in Ungnade gefallen bin. Aber schließlich haben Sie mir praktisch versprochen, mich zu heiraten -«
    »Was! Versprochen, Sie zu heiraten? Wann habe ich versprochen, Sie zu heiraten?«
    »Nicht in Worten, ich weiß. Aber es war zwischen uns
    abgemacht.«
    »Nichts dergleichen war zwischen uns abgemacht! Ich finde, Sie benehmen sich äußerst widerlich. Ich gehe sofort zum Club rüber. Guten Abend!«
    »Elizabeth! Elizabeth! Hören Sie. Es ist nicht fair, mich zu verdammen, ohne mich angehört zu haben. Sie wußten vorher
    schon, was ich getan hatte, und Sie wußten, daß ich ein anderes Leben geführt hatte, seit ich Ihnen begegnete. Was heute abend geschah, war nur ein unglücklicher Zufall. Diese niederträchtige
    -320-
    Frau, die, zugegeben, einmal meine - nun -«
    »Ich will nichts hören, ich will solche Dinge nicht anhören!
    Ich gehe!«
    Er packte sie wieder an den Handgelenken und hielt sie dieses Mal. Die Karenen waren glücklicherweise verschwunden.
    »Nein, nein, Sie werden mich anhören! Ich würde Sie lieber zutiefst beleidigen, als diese Ungewißheit zu dulden. Woche für Woche, Monat für Monat hat sich das hingezogen, und nicht ein einziges Mal konnte ich offen mit Ihnen reden. Sie scheinen nicht zu wissen oder sich darum zu kümmern, wie sehr Sie mich leiden machen. Aber dieses eine Mal müssen Sie mir einfach antworten.«
    Sie wand sich in seinem Griff und war dabei erstaunlich stark.
    Ihr Gesicht war auf härtere Weise böse, als er es je gesehen oder sich vorgestellt hatte. Sie haßte ihn, so daß sie ihn geschlagen hätte, wenn ihre Hände frei gewesen wären.
    »Lassen Sie mich los! Oh, Sie Rohling, Sie Rohling, lassen Sie mich los!«
    »Mein Gott, mein Gott, daß wir so kämpfen würden! Aber
    was kann ich sonst tun? Ich kann Sie nicht gehen lassen, ohne daß Sie mich überhaupt angehört haben. Elizabeth, Sie müssen mir zuhören!«
    »Das werde ich nicht! Ich will nicht darüber diskutieren!
    Welches Recht haben Sie, mich auszufragen? Lassen Sie mich los!«
    »Verzeihen Sie mir, verzeihen Sie mir! Diese eine Frage.
    Werden Sie mich - nicht jetzt, aber später, wenn diese
    schändliche Angelegenheit vergessen ist -, werden Sie mich heiraten?«
    »Nein, niemals, niemals!«
    »Sagen Sie es nicht so! Nicht so endgültig. Sagen Sie
    vorläufig nein, wenn Sie wollen - aber in einem Monat, einem
    -321-
    Jahr, fünf Jahren -«
    »Ich habe doch nein gesagt! Warum müssen Sie ständig
    weitermachen?«
    »Elizabeth, hören Sie zu. Ich habe immer wieder versucht
    Ihnen zu sagen, was Sie mir bedeuten - ach, es ist so zwecklos, darüber zu reden! Aber versuchen Sie doch zu verstehen. Habe ich Ihnen nicht vom Leben, das wir hier führen, erzählt? Der Art von schrecklichem Tod- im-Leben? Vom Verfall, der
    Einsamkeit, dem Selbstmitleid? Versuchen Sie doch zu
    begreifen, was das heißt, und daß Sie der einzige Mensch auf Erden sind, der mich davor bewahren könnte.«
    »Wollen Sie mich loslassen? Warum müssen Sie diese
    gräßliche Szene machen?«
    »Bedeutet es Ihnen denn nichts, wenn ich sage, daß ich Sie liebe? Ich glaube nicht, daß Sie je begriffen haben, was es ist, das ich von Ihnen will. Wenn Sie wollen, heirate ich Sie und verspreche Ihnen, Sie nie auch nur mit einem Finger zu
    berühren. Selbst das
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