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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma
Autoren: George Orwell
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holpriges
    Geräusch ein inbrünstiges Brummen von Mr. Macgregor, eine
    Art verschämtes Murmeln von den anderen Europäern, und von hinten ein lautes, wortloses Muhen, da die karenischen Christen die Melodie der Lieder, nicht aber die Worte kannten.
    Sie knieten wieder nieder. »Noch mehr von den verdammten
    Knieübungen«, flüsterte Ellis. Die Luft verdunkelte sich, und man hörte ein leichtes Regenprasseln auf dem Dach; draußen rauschten die Bäume, und eine Wolke von gelben Blättern
    wirbelte am Fenster vorbei. Flory beobachtete sie durch die Ritzen seiner Finger. Vor zwanzig Jahren, an Wintersonntagen in seiner Bank in der Pfarrkirche daheim, pflegte er die gelben Blätter zu beobachten, genau wie in diesem Augenblick, wie sie gegen den bleigrauen Himmel getrieben wurden und flatterten.
    War es nicht möglich, jetzt, ganz von vorne anzufangen, so als hätten diese schmutzigen Jahre ihn nie berührt? Durch seine Finger blickte er rasch zu Elizabeth hinüber, die mit gebeugtem Kopf und das Gesicht in ihren jugendlichen, gesprenkelten
    Händen versteckt, dakniete. Wenn sie verheiratet waren, wenn sie verheiratet waren! Wie sie sich dann in diesem fremden und doch liebenswürdigen Land zusammen amüsieren würden! Er
    sah Elizabeth in seinem Lager, wie sie ihn begrüßte, wenn er müde von der Arbeit heimkehrte, und Ko S’la mit einer Flasche Bier vom Zelt wegeilen, er sah sie im Wald mit ihm spazieren,
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    die Hornvögel in den heiligen Feigenbäumen beobachtend und unbekannte Blumen pflückend, und im sumpfigen Weidegrund
    durch den Kaltwetter-Nebel hinter Schnepfen und Krickenten herstapfen. Er sah sein Heim, wie sie es neu einrichten würde.
    Er sah seinen Salon, nicht länger schlampig und
    Junggesellenhaft, mit neuen Möbeln aus Rangun und einer
    Schüssel von rosaroten Bobaumzweigen wie Rosenknospen auf
    dem Tisch, und Büchern und Aquarellen und einem schwarzen
    Klavier. Vor allem das Klavier! Seine Gedanken verweilten
    beim Klavier - Symbol, vielleicht weil er selber unmusikalisch war, für ein kultiviertes und gesetztes Leben. Er war für immer vom Unterleben des letzten Jahrzehnts erlöst - von all den Ausschweifungen, den Lügen, dem Schmerz des Exils und der
    Einsamkeit, von dem Umgang mit Huren und Geldverleihern
    und Pukkasahibs.
    Der Geistliche schritt zum schmalen Lesepult aus Holz, das auch als Kanzel diente, streifte das Band von einer Rolle
    Predigtpapier ab, hustete und verlas einen Text. »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
    »Mach’s kurz, um Himmels willen«, murmelte Ellis.
    Flory bemerkte nicht, wie viele Minuten vergingen. Die
    Worte der Predigt flossen friedlich durch seinen Kopf, ein undeutliches plapperndes Geräusch, beinahe nicht zu hören.
    Wenn sie verheiratet waren, dachte er immer noch, wenn sie verheiratet waren Nanu! Was war denn los?
    Der Geistliche hatte in der Mitte eines Wortes abgebrochen.
    Er hatte seinen Kneifer abgenommen und drohte damit mit einer bekümmerten Miene jemandem im Eingang. Ein fürchterliches, rauhes Gekreische ertönte.
    »Pikesan paylike! Pikesan paylike!"
    Alle schreckten von ihren Sitzen hoch und drehten sich um.
    Es war Ma Hla May. Als sie sich umdrehten, trat sie in die Kirche ein und schob den alten Mattu gewaltsam beiseite. Sie
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    drohte Flory mit der Faust.
    »Pikesan paylike! Pikesan paylike! Ja, das ist der, den ich meine - Flory, Flory! (Sie sprach es Porley aus.) Der, der dort vorne sitzt, mit den schwarzen Haaren! Dreh dich um und sieh mich an, du Feigling! Wo ist das Geld, das du mir versprochen hast?«
    Sie kreischte wie eine Wahnsinnige. Die Leute gafften sie an, zu erstaunt, um sich zu bewegen oder zu sprechen. Ihr Gesicht war grau vor Puder, ihre fettigen Haare purzelten herunter, ihr Longyi war unten ausgefranst, sie sah aus wie eine Hexe vom Bazar. Florys Eingeweide schienen sich in Eis verwandelt zu haben. O Gott, Gott! Mußten sie wissen - mußte Elizabeth
    wissen - daß das die Frau war, die seine Geliebte gewesen war?
    Aber es gab keine Hoffnung, nicht die geringste Spur einer Hoffnung, eines Irrtums. Sie hatte seinen Namen immer wieder geschrien. Flo wand sich unter der Bank hervor, als er die vertraute Stimme hörte, lief den Gang hinunter und wedelte Ma Hla May mit dem Schwanz an. Die niederträchtige Frau schrie einen ausführlichen Bericht darüber, was Flory ihr angetan hatte.
    »Schaut mich an, ihr weißen Männer, und auch ihr Frauen,
    schaut mich an! Seht, wie er mich ruiniert
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