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Florian auf Geisterreise

Florian auf Geisterreise

Titel: Florian auf Geisterreise
Autoren: oliver Hassencamp
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Goldene Hochzeit

    „Oh, ist mir schlecht!“
    Florian saß im Auto neben seiner Mutter.
    „Weil du immer alles in dich hineinschlingst, statt richtig zu kauen!“ hielt sie ihm vor. „Da habe ich gar kein Mitleid.“
    Heftiges Grimmen vereitelte eine Antwort. Was hätte Florian auch sagen sollen? Es war nicht das erste Mal. An Weihnachten hatte sein Magen gestreikt, an Vaters Geburtstag und heute wieder.
    „Jedes Fest verdirbst du einem mit deiner Maßlosigkeit!“ fuhr die Mutter fort. „ Den anderen wird’s doch auch nicht schlecht. Nur immer dir!“
    „Hättet ihr mich halt zu Tante Thekla fahren lassen!“ brummte Florian.
    Nun wurde die Mutter ernstlich böse. „Bei der goldenen Hochzeit deiner Großeltern hast du da zu sein!“
    „Warum fährst du mich dann nach Hause?“ Diese Antwort war völlig überflüssig. Florian wußte das. Andererseits hatte sie auch ihr Gutes. Jetzt brauchte er nichts mehr zu sagen.
    „Ist es dir schlecht, oder tust du nur so?“ herrschte sie ihn an. Er nickte zuerst und schüttelte dann den Kopf, denn es waren ja zwei Fragen. Die Mutter mußte auf den Verkehr achten. Das hinderte sie indes nicht, alles abzuladen, was ihr an ihm nicht paßte. „Ich habe es satt, mir dein griesgrämiges Gesicht anzuschauen. Das geht schon seit Tagen so. Seit die Pfingstferien angefangen haben. Wir fahren diesmal nicht weg! Und wenn du noch so muffelst. Du bist reichlich unverschämt. Als Vater wollte, daß du den Großeltern ein Ständchen bläst, war plötzlich die Trompete nicht in Ordnung. Ich weiß warum! Weil du nicht üben wolltest. Und aus deinem selbstgemachten Geschenk ist auch nichts geworden. Weil du zu faul warst! Da nimm dir ein Beispiel an deinem Vetter Gert. Die Anglertasche aus Segeltuch mit Lederbesatz hat er ganz allein genäht...“
    Daß seitdem die Nähmaschine kaputt war, und zwar gründlich, wußte sie genau, sagte es aber nicht. Auch Florian unterließ eine diesbezügliche Bemerkung. Sie hätte das Donnerwetter nur verschärft, und ihm war wirklich nicht gut.
    „Du willst nicht! Das ist das Traurige“, erfuhr er weiter. „Und du kannst dich nicht zusammennehmen. Wenn es um deine Interessen und Wünsche geht, dann ja, dann bist du die Freundlichkeit in Person. Man darf nur nichts von dir erwarten...“
    Das muß ich von euch haben! Wenn ihr in den großen Ferien euern Taucherfimmel kriegt, ist es euch piepegal, wo ich bleibe. Da darf ich sogar zu Tante Thekla, über die ihr sonst alle die Nase rümpft und die heute natürlich nicht eingeladen worden ist, als schwarzes Schaf der Familie! Eine Hellseherin auf der goldenen Hochzeit, unter sämtlichen Verwandten, das fehlt gerade noch! In Wirklichkeit habt ihr nur Angst, weil ihr wißt, daß sie euch durchschaut, und das womöglich sagt. Aber vielleicht ist sie trotzdem gekommen? Vielleicht sitzt sie mitten auf der langen Tafel auf einer Weinflasche, ohne daß jemand sie bemerkt, oder sie schwebt darüber. Ganz bestimmt sogar. Tante Thekla kann das. Den Körper verlassen und nur mit dem Geist auf Astralreise gehen, ist eine Lieblingsbeschäftigung von ihr. Ich weiß das. Ich bin nämlich medial begabt. Hat sie mir selbst gesagt! So hätte Florian seiner Mutter antworten können, und er hätte es auch getan, weil er seine Tante immer verteidigte. Als einziger in der Familie. Ja, er hätte es sogar bestimmt getan, wenn nicht in diesem Augenblick wieder das Grimmen dazwischengekommen, und die Fahrt zu Ende gewesen wäre.
    Vorgebeugt ging er zum Haus und die Treppen, die er sonst als Lauftraining mit Riesenschritten nahm, langsam hinauf in die Wohnung.
    Auf dem ganzen Weg schimpfte die Mutter weiter. „Aber an dich kann man ja hinreden, wie man will. Das geht zum einen Ohr rein und zum andern raus und interessiert dich überhaupt nicht...“
    Florian versuchte sich das vorzustellen und fand es rein physikalisch unmöglich. Das Ohr ist ein Aufnahmeorgan, sagte er sich. Von Ohr zu Ohr gibt es im Kopf keine direkte schallübertragende Verbindung, die einen solchen Durchlauf gestatten würde. Da ist nur die Eustachische Röhre, die vom Ohr in den Nasen-Rachen-Raum mündet und zum Druckausgleich dient. Würden Mutters Vorhaltungen diesen Weg wählen, kämen ihre Sätze aus der Nase, bestenfalls aus dem Mund wieder heraus. Niemals aber aus dem anderen Ohr.
    Florian war derart in seine Überlegungen vertieft, daß er sie sofort ausprobieren mußte. Er hörte kurz hin, was die Mutter gerade sagte und wiederholte es: „... an
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