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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma
Autoren: George Orwell
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    XXV ................................................................................................................ 328
    Kleines Glossar.............................................................................................. 335

    I
    U Po Kyin, Distriktsrichter von Kyauktada in Ober-Burma,
    saß auf seiner Veranda. Es war erst halb neun, aber man schrieb den Monat April, und in der Luft lag eine Schwüle, eine
    Drohung der langen, stickigen Mittagsstunden. Hin und wieder bewegte ein schwacher Windhauch, der vergleichsweise kühl
    erschien, die frisch bewässerten Orchideen, die von der
    Dachkante herabhingen. Hinter den Orchideen konnte man den staubigen, gekrümmten Stamm einer Palme sehen und weiter
    hinten den flammenden ultramarinblauen Himmel. Oben im
    Zenit, so hoch, daß einem beim Hinaufsehen schwindlig wurde, kreisten ein paar Geier ohne den geringsten Flügelschlag.
    Ohne zu blinzeln, starrte U Po Kyin wie ein großer
    Porzellangötze in das wilde Sonnenlicht hinaus. Er war ein Mann von fünfzig Jahren und so dick, daß er sich seit Jahren nicht ohne Hilfe aus seinem Sessel erhoben hatte, dabei aber wohlgestaltet und sogar schön in seiner Fülle; denn die
    Burmanen werden nicht schlaff und verquollen wie die Weißen, sondern nehmen symmetrisch zu wie schwellende Früchte. Sein Gesicht war großflächig, gelb und völlig faltenlos, und seine Augen hatten eine gelblichbraune Farbe. Seine Füße - platt mit hohem Spann und gleichmäßig langen Zehen - waren nackt wie auch sein kahlgeschorener Kopf, und er war mit einem bunten, magentarot und grün karierten arakanesischen Longyi bekleidet, wie die Burmanen sie als bequemes Hausgewand tragen. Er
    kaute Betel, den er einem auf dem Tisch stehenden
    Lackkästchen entnahm, und dachte über seine Vergangenheit
    nach.
    Es war ein glänzend erfolgreiches Leben gewesen. U Po
    Kyins früheste Erinnerung - sie reichte in die achtziger Jahre zurück war der Einmarsch der siegreichen britischen Truppen in Mandalay, den er, ein kugelbäuchiges Kind, mitangesehen hatte.
    Er erinnerte sich, wie diese Kolonnen großer Beefsteakmänner
    -4-
    mit roten Gesichtern und roten Röcken ihn entsetzt hatten; und die langen Gewehre auf ihren Schultern und das schwere,
    rhythmische Stampfen ihrer Stiefel. Nach ein paar Minuten hatte er Fersengeld gegeben, denn in seinem kindlichen Sinn hatte er begriffen, daß sein Volk dieser Rasse von Riesen nicht
    gewachsen war. Auf der Seite der Briten zu kämpfen, von ihrer Größe zu nutznießen, war schon in der Kindheit sein höchster Ehrgeiz gewesen.
    Mit siebzehn hatte er sich um eine Anstellung bei der
    Regierung beworben, aber ohne Erfolg, denn er war arm und
    ohne Beziehungen, und so hatte er drei Jahre lang in dem
    stinkenden Labyrinth der Basare von Mandalay als Gehilfe der Reishändler gearbeitet, und hin und wieder hatte er gestohlen.
    Dann mit zwanzig Jahren war er durch einen Glücksfall von
    Erpressung in den Besitz von vierhundert Rupien gekommen; er ging sofort nach Rangun und kaufte sich in eine
    Regierungsstelle ein. Trotz des geringen Gehaltes war dieser Posten recht einträglich. Ein Ring von Angestellten bezog
    damals ein regelmäßiges Einkommen aus der Unterschlagung
    staatlicher Lagerbestände, und Po Kyin (er hieß damals einfach Po Kyin, das ehrenvolle U kam Jahre später) beteiligte sich natürlich daran. Er war jedoch zu talentiert, um sein Leben lang ein kleiner Angestellter zu bleiben und sich auf den kläglichen Diebstahl von Münzen wie Annas und Pice zu beschränken.
    Eines Tages kam ihm zu Ohren, daß die Regierung, die knapp an unteren Beamten war, einige Angestellte zu befördern
    gedachte. Diese Nachricht hätte sich binnen einer Woche
    herumgesprochen, aber es gehörte zu Po Kyins Fähigkeiten,
    stets eine Woche früher als alle anderen informiert zu sein. Er sah seine Chance und denunzierte alle seine Komplizen, bevor sie gewarnt werden konnten. Die meisten wanderten ins
    Gefängnis, und Po Kyin wurde zum Lohn für seine Redlichkeit zum Hilfsgemeindebeamten ernannt. Seitdem war er
    unaufhaltsam aufgestiegen. Jetzt, mit sechsund fünfzig Jahren,
    -5-
    war er Distriktsrichter, und er würde wohl noch weiter befördert werden bis zum amtierenden Kommissar, dem
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