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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma
Autoren: George Orwell
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lachsfarbenen, gelb gemusterten Brokat. Mit Anstrengung drehte er den Kopf und betrachtete wohlgefällig den stramm und glänzend sein riesiges Hinterteil bedeckenden Paso. Er war stolz auf seine Beleibtheit, weil die Masse Fleisch für ihn ein Symbol seiner Größe war. Er war einst ein
    unbekannter Hungerleider gewesen - jetzt war er dick, reich und gefürchtet. Er fühlte sich geschwellt von den Leibern seiner Feinde - ein Gedanke, aus dem er etwas sog, was der Poesie sehr nahe kam.
    »Mein neuer Paso war billig - nur zweiundzwanzig Rupien, heh, Kin Kin?« fragte er.
    Ma Kin beugte den Kopf über ihre Näharbeit. Sie war eine
    schlichte, altmodische Frau, die noch weniger über europäische
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    Gewohnheiten gelernt hatte als U Po Kyin. Sie konnte nicht ohne Mißbehagen auf einem Stuhl sitzen. Jeden Morgen ging
    sie, einen Korb auf dem Kopf, zum Basar wie eine Bauernfrau, und abends konnte man sie in ihrem Garten knien sehen, wo sie zu dem weißen Turm der Pagode betete, welche die Stadt
    krönte. Seit mindestens zwanzig Jahren vertraute U Po Kyin ihr seine Intrigen an.
    »Ko Po Kyin«, sagte sie, »du hast in deinem Leben sehr viel Böses getan.«
    U Po Kyin machte eine abwehrende Handbewegung. »Was
    schadet das? Meine Pagoden werden alles wiedergutmachen. Ich habe noch viel Zeit.«
    Ma Kin beugte den Kopf wieder über ihre Näharbeit, sie hatte einen eigensinnigen Ausdruck wie immer, wenn sie etwas
    mißbilligte.
    »Aber Ko Po Kyin, wozu all dieses Pläneschmieden und
    Intrigieren? Ich habe dich auf der Veranda mit Ko Ba Sein
    sprechen gehört. Du planst etwas Böses gegen Dr. Veraswami.
    Warum willst du diesem indischen Arzt schaden? Er ist ein
    guter Mann.«
    »Was verstehst du von diesen dienstlichen Angelegenheiten, Weib? Der Doktor ist mir im Wege. Erstens weigert er sich, Bestechungsgelder anzunehmen, und das erschwert uns anderen das Leben. Und außerdem - nun, da ist noch etwas anderes, was du mit deinem Weibergehirn nie verstehen kannst.«
    »Ko Po Kyin, du bist reich und mächtig geworden, und was
    hat es dir genützt? Wir waren glücklicher, als wir arm waren.
    Ach, ich besinne mich so gut darauf, wie du nur ein
    Gemeindebeamter warst, das erste Mal, daß wir ein eigenes
    Haus hatten. Wie stolz waren wir auf unsere neuen Korbmöbel und auf deinen Füllfederhalter mit dem goldenen Klipp! Und wie geehrt fühlten wir uns, als der junge englische
    Polizeioffizier zu uns kam und auf dem besten Stuhl saß und
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    eine Flasche Bier trank! Geld bringt kein Glück. Was willst du jetzt mit noch mehr Geld?«
    »Unsinn, Weib, Unsinn! Kümmere du dich um deine
    Kocherei und Näherei und überlaß die dienstlichen
    Angelegenheiten denen, die was davon verstehen.«
    »Nun ja, ich weiß nicht. Ich bin deine Frau und habe dir
    immer gehorcht. Aber wenigstens ist es nie zu früh, sich
    Verdienst zu erwerben. Du solltest danach streben, mehr
    Verdienst zu erwerben, Ko Po Kyin! Willst du nicht zum
    Beispiel ein paar lebende Fische kaufen und im Fluß freisetzen?
    Man kann auf diese Weise vie l Verdienst erwerben. Außerdem haben die Priester, als sie heute früh ihren Reis holten, mir erzählt, daß im Kloster zwei neue Priester sind, die auch Hunger haben. Willst du ihnen nicht etwas geben, Ko Po Kyin? Ich
    selber habe ihnen nichts gegeben, damit du das Verdienst dafür erwerben kannst.«
    U Po Kyin wandte sich vom Spiegel ab. Dieser Appell hatte
    ihn ein wenig getroffen. Wenn es ohne Unbequemlichkeit zu
    machen war, versäumte er keine Gelegenheit, Verdienst zu
    erwerben. In seinen Augen war die Summe seiner Verdienste
    eine An Bankkonto, das sich unablässig vermehrte. Jeder im Fluß freigesetzte Fisch, jedes Geschenk für einen Priester war ein Schritt auf dem Wege zum Nirwana. Das war ein
    beruhigender Gedanke. Er gab Anweisung, den Korb
    Mangopflaumen, den der Dorfälteste gebracht hatte, ins Kloster zu schicken.
    Bald darauf verließ er das Haus und ging die Straße hinunter, gefolgt von Ba Taik, der einen Aktenordner trug. Er ging
    langsam und sehr aufrecht, um seinen umfangreichen Bauch im Gleichgewicht zu halten, und hielt über dem Kopf einen
    gelbseidenen Sonnenschirm. Sein rosa Paso glitzerte in der Sonne wie ein in Satinpapier gewickeltes Praliné. Er ging ins Gericht zur Verhandlung der heute anstehenden Rechtsfälle.
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    II
    Etwa um die Zeit, als U Po Kyin mit seinen
    Vormittagsgeschäften begann, ging ›Mr. Porley‹, der
    Holzhändler und Freund von Dr. Veraswami, aus seinem Haus
    und auf den
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